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Wandlung

Wandlung

Titel: Wandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Baker
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Knie wehtaten, sie sonderte sich in einem entlegenen Wohntrakt ab, damit ihr fürchterliches Schnarchen uns nicht den Schlaf raubte. Jetzt legt sie eine geradezu grimmige Lebendigkeit an den Tag. Trotzdem wird sie bald tot sein wie alle anderen auch. Aber manche Menschen blühen ja erst in einer Krise auf und finden ihre Bestimmung. Angeblich gilt eine glückliche Kindheit als schlechte Vorbereitung auf das Leben, doch nur, wer seine Schulzeit als dickes, rothaariges oder homosexuelles Kind verbracht hat, kennt die Wahrheit. Die Welt ist stets voller gefährlicher Raubtiere gewesen, daher ist dieses Blutbad, diese Grausamkeit für viele Menschen etwas vollkommen Alltägliches.
    Ghost führte uns zu einem Stapel in einem tiefen Gewölbe versteckter Sprengstoffe, C4 sowie Thermitgranaten. Offenbar hatten Jane und Punch die Munition vor ein paar Wochen auf einer Erdbebenforschungsstation entdeckt. Rawlins hatte die Anordnung ausgegeben, sämtliche Sprengstoffe in dem Bunker aufzubewahren.
    Die C4-Pakete sehen aus wie in Zellophan gewickelte Lehmbriketts und riechen nach Benzin. Es gibt Kabel, Sprengkapseln, batteriebetriebene Zünder. Ghost besteht darauf, dass wir alle mit einem Klumpen gefrorenem Sprengstoff dicht am Körper schlafen, weil er hofft, dass sie durch die Körperwärme formbar werden. Morgen
werden wir ein paar Passagiere der Hyperion zur Hölle fahren lassen.
    Freitag, 30. Oktober
    Wir sind früh aufgewacht, haben zusammengepackt und standen vor dem Bunkereingang. Ein früher Morgen im arktischen Winter, doch wird der Mond den ganzen Tag über hell scheinen.
    Ghost nahm eines der Schneemobile und fuhr zum Strand hinunter. Jane saß im Sozius, auf dem Schoß eine Sporttasche. Ich holte einen Feldstecher hervor und begab mich auf höher gelegenes Gelände.
    Er fuhr auf die Eisdecke hinaus, die von der Küstenlinie ins Meer hinausgewachsen ist, und näherte sich behutsam einer Gruppe von Passagieren, die wie von den Lichtern der Ölplattform hypnotisiert dastanden. Jane zog den Reißverschluss auf und wickelte ein Zündkabel hinter ihnen ab, an dem, wie an einer Schnur mit Weihnachtslichtern, alle vier Meter faustgroße Sprengstoffklumpen befestigt waren. Ghost ließ das Schneemobil anhalten, und die beiden gingen dahinter in Deckung.
    Ghost verdrillte die Drähte mit der tragbaren Zündung, zählte mit den Lippen bis drei und ließ den Auslöser zuschnappen. Die Sprengstoffkette explodierte und schleuderte einen Vorhang aus Eispartikeln in die Luft, kein Feuer, kein Flammenball, nur eine heftige Erschütterung. Das Geräusch der Explosion erreichte mich ein paar Sekunden später, es klang wie ein scharfer Donnerschlag.
    Vier oder fünf der Passagiere wurden in Stücke gerissen, der Schnee war übersät mit Körperteilen.
    Ein Netz aus zerklüfteten Rissen zerteilte das Eis, Schollen kippten und kenterten. Gestalten stürzten in
das dunkle Wasser und gingen, ohne einen Schwimmversuch zu unternehmen oder sich dagegen zu wehren, augenblicklich unter. Einige der infizierten Passagiere standen mitten auf einer losgelösten Eisscholle und blickten benommen um sich, als die Strömung sie mit nach Süden nahm.
    Ich konnte Ghost und Jane jubeln hören. Ich weiß nicht genau, wie viele Passagiere sie getötet haben, vielleicht zwanzig oder dreißig. War das sinnlos? Die Menschen müssen aktiv werden, müssen das Gefühl haben, ihr Schicksal selbst in der Hand zu haben. Jane und Ghost sind intelligente Menschen, ich bin sicher, sie sind sich ihres bescheidenen Erfolgs bewusst. Aber sie kämpfen, und dafür bewundere ich sie.
     
    Ich war mit Ghost und Jane am Zodiac verabredet, bin aber stattdessen zum Bunker zurückgegangen und habe mich dort eingeschlossen.
    Sian versuchte, mich über Funk zu erreichen, rief immer wieder an, bis ich schließlich so tief hinabgestiegen war, dass das Funksignal nicht mehr durchdrang. »Rampart an Rye, können Sie mich empfangen, over?« Vermutlich hätte ich ihnen sagen sollen, nicht nach mir zu suchen. Ich hätte ihnen erklären sollen, dass ich mich für immer verabschiedet habe.
    Ich lege den Stift nur widerstrebend aus der Hand. Mein Leben endet hier. Ich will nicht Schluss machen.
    Über kurz oder lang wird Jane mein Zimmer durchsuchen und die noch übrig gebliebenen medizinischen Utensilien auf meinem Bett finden, dazu die erklärenden Notizen, die daran geheftet sind. Ich habe auf meinem Stuhl ein einfaches medizinisches Nachschlagewerk liegen lassen, das Medizinische Handbuch

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