Wanja und die wilden Hunde
immer wieder in rasantem Tempo, kommt jedoch auch immer wieder zurück. In dieser Pendelbewegung führt er mich weiter durch das Unterholz des Waldes. Ich hoffe, dass wir uns nicht verirren, möchte aber unbedingt herausfinden, was er mir sagen will.
Nach zehn Minuten sehe ich zwischen den Zweigen etwas Buntes blitzen. Milyi steht davor und winselt. Beim Näherkommen erkenne ich Baba Marfa, die mit schmalem Gesicht und blass vor Schmerzen auf dem Boden sitzt.
»Majetschka«, ruft sie mit dünner Stimme. »Dich schickt der liebe Gott. Ich habe mir den Fuß gebrochen und wäre hier gestorben.«
Mit der geretteten Marfa
Sie ist fast dehydriert und ich gebe ihr von den Beeren, damit sie Flüssigkeit aufnimmt. Es stellt sich heraus, dass sie seit zwei Tagen im Wald sitzt. Ich muss sie noch einmal allein lassen, um Kolja mit dem Pferdewagen zu holen.
Die Rettung spricht sich im Dorf herum wie ein Lauffeuer. Immer wieder klopft es an meiner Tür, und immer wieder muss ich erzählen, wie Milyi mich zu Marfa geführt hat. Alle betrachten ihn ausgiebig, und ich glaube, an diesem Tag geschieht etwas ganz Wunderbares: Die Dorfbewohner nehmen zum ersten Mal einen Hund wirklich wahr.
Der Neue
Vera und ich suchen im Wald Pilze. Am liebsten mag ich die kleinen, die eine Staubwolke von sich geben, wenn man sie mit einem Stock berührt. Ich wende den Farn um, um sie zu entdecken. Ich kenne mich noch weniger mit Pilzen aus als Vera, und wir bringen den gesamten Korbinhalt anschließend zwecks Begutachtung zu einer Babuschka. Die Hunde stöbern im Unterholz, wir suchen in Gedanken versunken, da kracht es mehrmals, und irgendetwas nähert sich.
Plötzlich rast ein Wildschwein wie ein Dreschflegel in fünfzig Meter Entfernung an uns vorbei und zerteilt das Unterholz. Kurz darauf folgt ein großer Hund. Meine Hunde stehen reglos und starren auf die Tiere, die im nächsten Augenblick wieder im Unterholz abtauchen. Alle zittern vor Erregung, Felix und Bambino kläffen schrill, doch keiner rührt sich.
Das ungleiche Paar kehrt fast im selben Moment zurück, in dem es verschwunden ist. Diesmal jagt das Wildschwein den Hund. Der gibt ordentlich Fersengeld und man sieht ihm an, dass er in Panik ist.
Beim erneuten Auftauchen der beiden schießen Wanja, Laska und Anton nach vorn, Husar und Milyi flankieren sie seitwärts, die anderen stehen noch immer zitternd und kläffend neben mir. Das Wildschwein bemerkt den Zuwachs, lässt sich jedoch nicht von der Jagd auf den Hund abbringen. Es erreicht ihn in einem rasant gelaufenen Bogen und rennt in ihn hinein. Der Hund quiekt laut auf und kippt um.
Meine Hunde haben das Wildschwein erreicht, und jetzt zittere ich um sie. Der Keiler jedoch dreht plötzlich ab und verschwindet in das dichte Unterholz. Anton und Husar schießen hinterher, Wanja und Laska beschnüffeln den fremden Hund. Er bewegt sich. Am Hals hat er eine offene Wunde, die blutet.
Im Unterholz knackt es. Alle erstarren und schauen in die Richtung, aus der das Geräusch kam.
Vera taucht aus dem Dickicht des Waldes auf. »Was gibt es denn? Was ist passiert?« Ich schildere ihr den Vorfall.
Wir verbinden den Hund, der aussieht wie ein Malinois-Mischling, mit einem Küchentuch, das eigentlich die Pilze abdecken sollte. Als er sich aufrappelt und verdutzt auf die große Gemeinschaft schaut, scheuche ich alle Hunde zurück. Glücklicherweise ist er noch fähig zu laufen, denn es ist ein schweres Tier und wir könnten ihn nicht so weit tragen.
Ich nehme ihn zur Wundversorgung mit zu mir ins Haus und pflege ihn ein paar Tage gesund. Er hat Glück gehabt, die Wunde heilt schnell. Als ich ihn nach draußen entlasse, setzt er sich neben Anton und Husar auf den Weg. Beide stehen auf und inspizieren ihn erneut gründlich. Der Neue lässt sich die Leibesvisitation feuchter Hundenasen ruhig gefallen und wedelt beschwichtigend mit dem Schwanz.
Bambino hat den Braten gerochen und kommt begeistert um die Ecke aus dem Hof geprescht. Er rennt schwanzwedelnd zu den Hunden und leckt abwechselnd die Lefzen des Neuen und die von Anton und Husar. Dann wirft er sich vor dem potentiellen neuen Spielgefährten in eine Spielaufforderung – er beugt sich nach vorn und richtet den Hintern steil auf. Der Neue blickt auf das Hundegezappel, hebt langsam die rechte Pfote, stupst in das Gezappel hinein und beobachtet gespannt, welche Wirkung es hat. Bambino springt wie von der Tarantel gestochen auf und wirft sich begeistert in jede nur denkbare Pose einer
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