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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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Partys in der Stadt. Doch am liebsten wollte ich einfach nach Hause. Mit meinen Eltern ein Glas Sekt trinken und in mein warmes Bett.
    Ich fuhr los. In Eggebek standen schon überall Menschen auf der Straße, schossen Raketen in die Luft. Zum Abschied wurden mir noch ein paar explodierende Böller auf das Autodach geworfen. Sobald ich aus dem Dorf war, wurde es still. Meine Ohren fiepten von der lauten Musik. Kein Mensch unterwegs. Ich fuhr langsam und überlegte, ob die paar Schlucke Bier bei einer Kontrolle irgendein Problem sein würden. Ich dachte an Friederike. War die wirklich mit diesem fertigen Idioten zusammen? Was hatte ich mir da nur vorgestellt? Doch nicht etwa, dass wir in dieser Nacht ein Paar werden würden? Dass sie mich in ländlicher Stille unter voluminöser Bauerndecke ganz nackt an sich drücken würde? Doch, genau! Solche Sachen hatte ich mir erträumt.
    Da gab es einen dumpfen Stoß. Ich erschrak und machte eine Vollbremsung. Ich sah in den Rückspiegel. Da lag etwas auf der Straße. Ich stand in einer lang gestreckten Kurve. Was sollte ich tun? Einfach weiterfahren? Ich stellte die Warnblinkanlage ein und stieg aus. Der Mond war fast voll und strahlte hell. Etwa fünfzehn Meter hinter dem Auto bewegte sich etwas auf der Fahrbahn. Ich ging vorsichtig näher. Eine Katze. Sie lag auf der Seite, den Kopf gehoben, und leckte sich den Bauch. Ich sah, dass sie blutüberströmt war. Ihr Unterleib war aufgeplatzt, blutiger Matsch. Sie schleckte ganz geschäftig ihren offenen Bauch ab, schlabberte ihr Blut auf. Als ich näher kam, sah sie mich an. Ihre Augen reflektierten die roten Rücklichter des Wagens. Sie fauchte, verschluckte sich, hüstelte gurgelnd und dann leckte sie sich wieder. Als ich noch näher kam, versuchte sie aufzustehen, zog ihren blutenden Unterleib ein Stückchen mit den Vorderpfoten Richtung Straßengraben. Ich sah etwas, das ihr aus dem Bauch hing, dunkel gewellte Haut. Was sollte ich nur tun?
    23 Uhr 47. Ich setzte mich in den Wagen und schaltete das Radio an. Aufgeregtes Stimmengewirr, seltsam simulierte Neujahrsfreude. Ich drehte es lauter. Stieg wieder aus, fand im Kofferraum ein Küchenhandtuch und ging zur Katze. Sie hatte den Kopf seitlich auf dem Asphalt liegen und gab fiepende, hechelnde Laute von sich. Als ich direkt vor ihr stand und ihr das Tuch überlegte, sah ich einen Rippenknochen, der aus dem rötlichen Fell stach. Mir wurde flau. Vom Auto hallte Schunkelmusik herüber. Die Beine der Katze zuckten das Handtuch beiseite, und Schauer liefen ihr bis in die Schwanzspitze. Da hörte ich, wie im Radio laut gezählt wurde: Zehn, neun, acht … Bei null großer Jubel und das Lied »The final Countdown«. In einiger Entfernung Böllerschüsse und vereinzelte Raketen, die unter der Weite des Firmaments bemitleidenswert mickrig, ein wenig rot und blau in die Nacht spuckten.
    Um Viertel nach zwölf fuhr ein Wagen in der lang gezogenen Kurve auf mich zu. Ich winkte ihm schon von Weitem, und er hielt. Alter Mercedes. »Was gibt’s denn?« Ein Mann in einer verdreckten Latzhose, kariertem Hemd und blauer Schiebermütze. »Ich hab eine Katze angefahren. Die liegt da vorne. Ich weiß nicht, was ich machen soll.« Der Mann stieg aus. Schwere Gummistiefel. Schlappte zur Katze. Vor ihrem Maul eine Pfütze mit hellrotem schaumigen Blut. »Was soll denn das Handtuch?« Ich wusste es auch nicht. »Na«, sagte er, »das wird nix mehr.« Und ehe ich mich abwenden konnte, trat er der Katze mit dem Gummistiefel auf den Kopf. Ein splitterndes Geräusch. Mit der Schuhspitze schleuderte er sie in den Straßengraben. Er wischte sich am winterblassen, mondbeschienenen Seitenstreifengras das Blut vom Schuh und stieg wieder ein. Er kurbelte die Scheibe runter: »Ach ja, frohes Neues noch!« »Wie bitte?« »Na, frohes neues Jahr!« »Ach so, ja danke! Ihnen auch. Frohes neues Jahr.«

Wer allein ist, ist auch im Geheimnis
    Und dann begann das, was mein Vater mit keinem Buch bändigen konnte, wogegen alles theoretische Wissen der Welt nichts helfen sollte. Er wurde krank. Ich wohnte schon mehrere Jahre nicht mehr zu Hause. Diese niederschmetternde Diagnose beschleunigte die Zeit, und die Ereignisse überschlugen sich.
    Vierundzwanzig Stunden nachdem er Blut gepinkelt hatte, wurde meinem Vater bereits die befallene Niere entfernt. Sechs Jahre, sagte er zu mir am Telefon, würde es dauern, bis das Risiko einer Wiedererkrankung signifikant gesunken sei. Nach sechs Jahren hätte er dieselbe Chance,

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