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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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Ausdrücke, die mir fremd waren, und sagte andauernd »Alter«. »Alter, das schmeckt vielleicht lecker.« Oder »Ich hab voll Muskelkater, Alter«. Mir war schon klar, dass sie nicht mich damit meinte, nicht mich so ansprach, ich fand es aber trotzdem befremdlich und prollig.
    Bei einem unserer Treffen trug sie eine Weste mit Fransen. Wir waren in einem Imbiss, und es gelang mir einfach nicht, mein Unwohlsein zu unterdrücken. Jedes Mal, wenn jemand zur Tür hereinkam, drehte ich mich um. Und jedes Mal war ich erleichtert, niemanden zu sehen, den ich kannte. Als aber die Einladung zur Silvesterparty kam, sagte ich sofort zu.
    Am letzten Tag des Jahres aß ich zusammen mit meinen Eltern Fondue, sah mir im Fernsehen »Dinner for one« an und brach auf. »Kommst du denn noch heute Nacht wieder oder erst morgen?«, fragte meine Mutter. »Ich weiß noch nicht genau. Mal sehen.« Ich wusste es wirklich nicht und hätte gerne geantwortet, dass ich über Nacht fortbleiben würde. Mein Vater bat: »Sei bitte spätestens um elf am Vormittag wieder da. Wir wollen zum Friedhof fahren!« »Da will ich eh mit!«, antwortete ich und verabschiedete mich.
    Bei der Fahrt durch die Dunkelheit war mir nicht ganz wohl. Sobald ich aus der Stadt herausfuhr und es keine Laternen mehr gab, war es stockdunkel. Ich hatte Probleme mit dem Fernlicht. Bekam es nicht schnell genug aus, wenn mir ein Auto entgegenkam. Zweimal blendete jemand mehrmals auf und ab, um mir meinen Fehler klarzumachen. Aber runter auf die Armaturen zu sehen traute ich mich nicht. Gut, dass ich die Strecke kannte, da wir hinter Eggebek für ein paar Jahre mal einen Angelteich gepachtet hatten. Nachdem ich den kurvigen Wald geschafft hatte, ging es besser.
    Um zehn Uhr fuhr ich am gelb aufleuchtenden Ortsschild vorbei ins Dorf ein. Immer die Hauptstraße runter, hatte Friederike gesagt, und dann hinter dem großen blauen Siloturm rechts rein bis zum Ende.
    In einer ungeheizten Scheune standen auf dem rauen Betonboden mehrere mit Tüchern bedeckte Sofas. Matratzen lagen auf dem Boden. Auf einem Tapeziertisch standen Schüsseln mit Salaten, keiner davon grün, alle mayonnaiseweiß oder gelblich. In jede Schüssel war mittig ein Löffel gerammt, steckte aufrecht im kalten Salat wie ein Spaten im nassen Acker. Tief in den Sofas hockten schon einige Gäste. Alle in Jacken, Mützen, Bierflasche in der Hand, manche sogar Bierflasche in der Handschuhhand. Der Rauch der Zigaretten mischte sich mit der dampfenden Atemluft. Zwischen den Balken hingen mehrere Lichterketten. Das Rot der selbst übermalten Glühbirnen vermischte sich mit dem Licht der hoch oben unter der Decke hängenden und von Spinnweben überzogenen Neonröhren zu einem fahlen Halbdunkel. Die Scheune war groß. Hinter den Sofas und Matratzen an den Rand gerückte Möbel. Eine Küchenanrichte, mächtige Schränke, mir unbekannte Maschinen, Haufen von Brettern, alte Türen und Fenster.
    Die Musikanlage schien das Einzige zu sein, auf das wirklich Wert gelegt worden war. Die Scheune war erfüllt von schrecklichem Lärm. So ein in den Tiefen direkt in die Magengrube tretendes Gebummer und in den Höhen kreischendes Panikgejaule hatte ich noch nie gehört. Dem Impuls, sich die Ohren zuzuhalten, war nur schwer zu widerstehen. Mehrere Plattenspieler, Mischpulte, Verstärker auf zwei zusammengestellten Küchentischen. Riesige Boxen.
    Ich hielt nach Friederike Ausschau. Ich fror. Hatte nur meine Jeansjacke an, da ich nicht mit einer tiefgekühlten Scheunenparty gerechnet hatte. Drei Mädchen in Lederjacken und rosa Ohrenwärmern beobachteten mich aus einem der Sofas heraus. Ich ging zu ihnen, hockte mich vor sie und rief: »Habt ihr Friederike gesehen?« Die Mädchen sahen sich an und schüttelten die Köpfe. Eine von ihnen schielte ganz fürchterlich und hatte eine rote Brille auf. Sie rief: »Ich glaub, die ist noch gar nicht da!« Ich war mir nicht ganz sicher, ob sie sich über mich lustig machte. War das eine Silvesterverkleidung? Schielende Sekretärin? Und was meinte sie mit: noch nicht da? Die Gastgeberin noch nicht da – was sollte das?
    Ich lief über die leere Beton-Tanzfläche zu den Bierkästen. Nicht nur für die klirrende Kälte war meine Jacke zu leicht, auch gegen die Blicke schützte sie wenig. Wenigstens war das Bier herrlich kühl. Floß eiskalt an meinen eiskalten Lippen vorbei. »Ey Alter, wie wär’s mit bezahlen?« Ein vermummter Typ zeigte mit seinem Finger auf eine an einen Balken genagelte

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