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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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Ich rannte dann in das Zimmer eines meiner Brüder und warf mich aufs Bett. Mein Bruder kam, sah mich in seinem Bett liegen, ging hinüber in mein Zimmer und zog das Laken runter. Ich rannte rüber, sah es mir an, rannte zurück und zog seinen Bezug von der Bettdecke. So ging es immer hin und her. Wichtig war, dass man nie das zu verhindern suchte, was der andere einem antat. Still zusehen und sich etwas noch Gemeineres ausdenken, darum ging es. Anziehsachen aus dem Schrank zerren, Bücher vom Regal stoßen, Möbel umstellen oder umwerfen. Nach einer halben Stunde waren die Zimmer verwüstet. Wir lachten dabei, schubsten uns, erst noch freundlich, doch zum Schluss flossen immer Tränen. Meine Brüder brachten es in der Kunst, mich zu ärgern – mich in der Zentrifuge des Jähzorns bis zur Weißglut zu schleudern –, zu absoluter Meisterschaft. Die Gemeinheiten wurden immer subtiler, bis ich schließlich wirklich nicht mehr wusste, ob etwas mir galt oder nicht. Dann kamen die Anfälle wirklich aus dem Nichts. Mein Bruder ging an mir vorbei und sagte: »Na!«, und ich warf mich auf den Boden und schlug um mich. Überall witterte ich Verletzungen.
    Ich wurde von sehr unterschiedlichen, sich wandelnden Arten von Zornattacken heimgesucht. Eine war unmittelbar, hatte einen konkreten Auslöser und folgte der Kränkung auf dem Fuß. Doch mit der Zeit nahm die Frequenz dieser Anfälle ab. Der Zorn hatte sich tief in mich hineingefressen, war nicht mehr für alle sichtbar, aber unter der Oberfläche immer noch da. Er war nicht mehr wie ein gebrochener Finger oder ein aufgeschlagenes Knie – er hatte etwas Chronisches bekommen. Um diesem im Verborgenen gärenden Dauerzorn Paroli zu bieten, gab ich mir bei allem unendlich viel Mühe und wurde lieber und lieber, in der Schule, mit meinen Brüdern und Eltern. Doch der Zorn in mir lauerte auf jeden nichtigen Anlass, allzeit bereit, sich auf ihn zu stürzen und sich zu entladen. Diese Spannung in mir spürte ich ununterbrochen. Wenn ich dann endlich explodierte, sahen mich alle mitleidig an. Ich lernte allmählich, die Gemeinheiten meiner Brüder zu ertragen, den Ironiespielen standzuhalten, drehte aber durch, wenn mir der Schnürsenkel riss. Und dann schaffte ich die nächste Stufe: Tobsucht aus heiterem Himmel – grundlos, ansatzlos, ganz für mich allein, zusammengebraut in Herz und Hirn. Alle sitzen gemütlich vor dem Fernseher, essen belegte Brote, und ich kippe plötzlich vom Sofa, schreie wie von Sinnen, als hätte man mir die Folterwerkzeuge gezeigt. Da gerieten sogar meine Brüder in Sorge, sparten sich ihre triumphalen Gebärden und sahen Hilfe suchend zu meinem Vater.
    Eine der wenigen Maßnahmen, die mich beruhigen, die mir Linderung verschaffen konnten, war das Singen von »Der Fuchs und die Gans« auf der rüttelnden Waschmaschine. Meine Mutter hob ihren mit den Dämonen des Jähzorns ringenden jüngsten Sohn vom Boden auf, trug ihn durchs Haus und setzte ihn auf die Waschmaschine. Sie stellte sie an, in Notfällen auch ohne Wäsche, und langsam kam ich wieder zu mir. Bei einem dieser Beruhigungswaschgänge hatte ich damit begonnen, vom Fuchs und der Gans zu singen. Dieses Lied hatte weder eine Melodie noch einen feststehenden Text. Es war ein leiernder, mäandernder Endlosgesang, in dem sich kaum etwas ereignete. Oft wusste ich am Zeilenanfang noch gar nicht, wie ich den Satz beenden würde.
    Während unter mir die Unterhosen der Familie durcheinander schwammen, sang ich: »Der Fuchs und die Gans wanderten durch den Wald … und da hatten sie eine … Idee … da sagte der Fuchs: … heute besuchen wir mal den … Hirsch … der ist doch bestimmt nicht da … sagte die Gans … das kann natürlich stimmen … sagte der Fuchs … wir könnten auch zum See gehen … die Gans und der Fuchs packten ihre Handtücher ein … lieber Fuchs … hast du mein rotes Handtuch gesehen? … schau doch mal hinterm … Busch, sagte der Fuchs …« und so weiter, und so weiter. Während unsere Schmutzwäsche einweichte und die Trommel stillstand, verlangsamte auch ich meinen Sprechgesang. Während der Schleudergang meinen Po durchschüttelte und mich von oben bis unten lockerte, kam es mir so vor, als würde die bebende Maschine meine Zunge auf und nieder werfen, so als würde gar nicht mehr ich die Worte formen, sondern unsere Waschmaschine durch mich hindurch ihre Geschichte erzählen.
    Auch im Auto begann ich je nach Straßenbelag, vom Fuchs und der Gans zu singen – auf

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