Wanted
wieder auf das Milchgesicht fiel, weitete ihm mein Revolverlauf ein Nasenloch. Die Mündung auf meiner Leber zuckte. Schweigend sahen wir einander in die Augen. Seine waren wässrig blau.
Tief drin in einer dunklen, triefend nassen Höhle habe ich mal einen fast durchsichtigen Frosch gesehen, der hatte solche Augen. Meine dagegen ... Sagen wir es so: Über meine sagen die Frauen die nettesten Sachen, wenn es spät wird.
Das Ticken der Uhr an der Wand und das Krächzen der Geier draußen auf der Straße waren für den Zeitraum, den eine Nadel braucht, um aus der Hand einer Näherin bis auf den Grund zu ihren Füßen zu fallen, die einzigen Geräusche um uns herum. Für eine Ewigkeit also.
Dann sagte ich: »Du hast deinen Hahn noch nicht gespannt, Jungchen. Ich meinen schon.«
Wie erwartet schielte er nach meiner Waffe und ich drückte ab.
Der ganze Saloon schnappte nach Luft. Die Stadt. Die Welt. Dickie Thysson sah den Fremden in sprachlosem Erstaunen an, verdrehte dann die Augen. Als Nächstes gaben ihm die Knie nach, weshalb er noch einen Moment lang hilflos mit den Armen zu rudern versuchte, bevor er rücklings umsank. Und fiel. Langsam zuerst, doch dann in drastisch zunehmendem Tempo, bis er unter Dröhnen der Planken und staubiger Wolkenbildung der Länge nach hart auf dem Bretterboden aufschlug.
»Dafür hatte ich vergessen, nachzuladen«, brach der Fremde das Schweigen, mit einem Beiklang von Selbstkritik. Unter mildem Kopfschütteln klickte er die Trommel seines Revolvers von einer leeren Kammer zur nächsten.
»Pancho«, sagte er dann, sanft wie eine Mutter zu ihrem träumenden Kind, während er Patrone auf Patrone in die wohl geölten, großkalibrigen Kammern flutschen ließ, »was muss ein Mann noch alles tun, um in dieser Stadt an einen Drink zu kommen?«
Pancho stieg über Dickie Thysson hinweg und nahm hastig seinen Platz hinter der Theke wieder ein.
Ein Grüppchen bildete sich und starrte mit den für Schaulustige allerorten so typischen, sympathisch offen stehenden Mündern auf den reglosen Körper hinab.
»Sollten wir nicht den Doc holen?«, schlug jemand vor, doch Bro Ho grunzte nur. Er legte seine Zeitung weg, bückte sich, packte Dickie bei den Stiefeln und begann, ihn wenig zeremoniell zur Türe zu schleifen. Shits hielt sie ihm auf.
Alles in allem, sagte sich Shits, ist ein ohnmächtiger Thysson-Sohn sicherlich ein Zugewinn für die Ruhe in der Stadt. Gut fürs Geschäft ist er allerdings nicht.
Und so folgte er, in innerem Zwist, dem munter die Treppenstufen hinunterklunkernden Kopf des Thysson-Sprosses, um ihn in die ach so belebende Pferdetränke zu tunken.
Weit kamen sie nicht.
Irgendjemand hat Sisley Mandoney mal »eine Kreuzung aus Maultier und Koyote« genannt und wollte gerade anfangen, darüber zu lachen, da war Shits schon mit seinem Maßband über ihm gewesen.
»Was ist hier los?«, grollte Mandoney und stellte sich dem Trio in den Weg.
»Ach nichts«, beeilte sich Shits zu behaupten.
»Dickie ist nur'n bisschen aus'n Latschen gekippt«, murmelte Bro Ho, die Beine des Bewusstlosen weiterhin in festem Griff.
»Gab's Ärger?«, grollte Mandoney.
»Ach nein«, beeilte sich Shits abzuwiegeln.
»Paar Eimer Wasser und er ist wieder wie neu«, versicherte Bro Ho.
»Etwa mit dem Neuen? Dem Fremden?«, hakte Mandoney nach. Grollend und voll von so was wie ungesundem Eifer.
»Ach was«, beeilte sich Shits die Wahrheit zu beugen.
»Hat vielleicht was Schlechtes gegessen«, bot Bro Ho noch an, doch da war Mandoney schon die Stufen hoch und die Tür zum Saloon fiel hinter ihm ins Schloss.
Mit einem Knall. Diese Türe schließt immer mit einem Knall, das ist das Schöne an ihr. Und mit einem weiteren Knall schlug ich mit der flachen Hand oben auf die Theke, um Pancho endlich dazu zu bringen, mir etwas in ein Glas zu schütten.
Der hatte es plötzlich sehr, sehr eilig, ein feuchtes Etikett auf die bis dahin nackte Flasche zu kleben und eine Steuerbanderole um ihren ranken Hals und dann erst auf mein forderndes Klopfen einzugehen. Ohne rechte Fortune, um es salopp zu formulieren.
Nicht, dass er es nicht versuchte. Aber einerseits zitterten ihm die Hände so sehr, dass bis jetzt nur die Theke etwas abbekommen hatte von der farblosen Flüssigkeit aus der frisch etikettierten Flasche, zum anderen hatte er seine Augen und Gedanken offensichtlich woanders. Irgendwo hinter meinem Rücken. Da, wo der Neuankömmling stand. Unauffällig linste ich in den Spiegel und versuchte
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