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Wanted

Wanted

Titel: Wanted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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geschnitten, Pancho«, fauchte eine unangenehm helle Stimme. Pancho zog ein Handtuch von seiner Schulter und begann, mit zittrigen Fingern an seinem Kunden herumzutupfen. »Ich sollte dich töten dafür.«
    Ich sah von Bro Ho zu Shits, die so taten, als hätten sie nichts gehört.
    Pancho tupfte und wischte, seine Hände flatterten wie Falcos Mähne bei vollem Galopp.
    Ajeh, dachte ich. Sieh dir diesen Shake an, dachte ich und verschob >Rasur< ans ferne Ende meiner Dringlichkeitsliste. >Drink< blieb allerdings weiter ganz weit vorne.
    »Und ich habe dich noch gewarnt, vorher, oder nicht?«
    Eine helle, quietschige Stimme, die dieser Heini im Rasiersitz da erklingen ließ. Wie wenn man mit dem Korken zusammen ein Sandkorn in den Hals einer Flasche drückt. Apropos Flasche ...
    »Bro Ho und Shits sind meine Zeugen. >Pancho<, habe ich gesagt, >rasier mich. Aber wenn du mich schneidest<, habe ich gesagt, >puste ich dich um.<«
    »Na, dann tu's doch endlich«, sagte ich und ging rüber zur Bar. »Aber red nicht so viel.«
    Panchos Hand flog nur so hoch und zurück, seine Augen vor Entsetzen geweitet. Er hatte gerade weitermachen wollen, gerade das Messer angesetzt, als sein Kunde aus dem Sitz sprang.
    »Wer hat das gesagt?«
    Einmischung wird nicht belohnt in Buttercup. Es sei denn, man ist religiös und betrachtet den beschleunigten Abflug ins Ewige Reich des Himmels als eine adäquate Gegenleistung.
    Sargtischler Shits für seinen Teil war zu nah dran am Geschehen, um Vertrauen in die Versprechungen vom Leben nach dem Tod zu entwickeln. »Aus meinen Kisten ist noch keiner wieder auferstanden«, sagte er oft. »Es sei denn«, fügte er gern hinzu, »Doc Tatters braucht mal wieder einen für seine >anatomischen Studien<.«
    Und Totengräber Bro Ho war ungefähr so religiös wie nur je ein ehemaliger berufsmäßiger Wanderprediger. »Kommt drauf an«, antwortete er für gewöhnlich auf Fragen nach der Tiefe seines Glaubens, »wie viel die Leute raustun.«
    Ähnlichen, wenn auch deutlich anders motivierten Schwankungen unterlag Panchos Gottvertrauen. Es wuchs, kann man sagen, normalerweise proportional zur Gefahrenlage.
    »O Herr«, betete er leise im Angesicht der sich anbahnenden Konfrontation, »mach jetzt bitte keinen Scheiß.«
    Seit der auf dubiosem Weg vom Streikbrecher zum Rancher aufgestiegene Richard Thysson auf zweifelhafte Art zum Bürgermeister von Buttercup gewählt worden war, hatte sich sein Vermögen in auffallend ähnlichem Maße vervielfacht wie die Verschuldung der Gemeinde. Das blieb nicht unkommentiert, doch Gegner seiner Amtsführung oder Person wurden entweder gekauft, zum Umzug in eine andere Gegend bewogen oder aber mit Gewalt aus dem Weg geräumt. Seine zweite Gattin, die voluminöse Genevieve, unterstützte ihn mit Ideenreichtum und permanenter Anstachelung. Und in gemeinsamer Anstrengung hatten Richard und Genevieve es geschafft, Sohn Dickie zu einem Terror der Gemeinde zu verziehen. Wann immer er von der elterlichen Ranch in die Stadt geritten kam, verließ er sie nur selten wieder, ohne zumindest ein frisches Paar auf den Stiefelhügel gepflanzt zu haben.
    Der Sheriff betrachtete die Eskapaden des Sohnes mit der ganzen wohlwollenden Nachsicht von jemandem, der früher auch nicht anders gewesen ist und obendrein bis über beide Ohren in der Tasche des Vaters steckt.
    Um es kurz zu machen: Wen Dickie nicht schaffte, den schaffte kurz darauf die örtliche Ordnungsmacht. Runter ins Erdloch oder hoch ins Himmelreich, je nach Auffassung.
    Ich klopfte ungeduldig mit der Hand auf die Theke. Sechs Tage im Sattel machen einen Durst, das kann man sich nicht vorstellen.
    »Hast du das gesagt, Fremder?« Die unangenehm helle Stimme gehörte zu einem Milchgesicht in gelecktem, topmodischem Outfit. Hut mit blitzenden Silberdollars im Band, glänzende Weste aus feinstem Leder, güldene Uhrkette, reinweißes Hemd, ein schniekes Bändchen um den Kragen, glänzende Lederhose in blitzeblanken Reitstiefeln, an die funkelnde Sporen geschnallt waren. Ah, und eh ich's vergesse: zwei hochglanzpolierte, vernickelte Sechsschüsser. Der eine, der linke, mit Perlmuttgriff. Der andere vermutlich auch, doch ließ sich das nicht so recht sagen, weil der Griff von einer Hand umschlossen war, die den dazugehörenden Lauf auf meine immer noch arbeitslose Leber richtete.
    »Sag das noch mal, Fremder, ja?«
    Ich winkte Pancho mit der Linken, gab ihm zu verstehen, dass ich nicht den ganzen Tag warten wollte, und als mein Blick

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