Warm Bodies
meine Augen weiten sich.
Sie hat keine Ahnung, dass ich es war.
Der Raum war dunkel und ich kam von hinten. Sie hat es nicht gesehen. Sie weiß es nicht. Ihre bohrenden Blicke betrachten mich wie ein Wesen, das es wert ist, betrachtet zu werden, nicht wissend, dass ich eben erst ihren Geliebten getötet habe, sein Leben geschluckt und seine Seele verdaut, und in diesem Augenblick ein Filetstück seines Hirns in meiner Hosentasche habe. Jetzt kokelt es dort wie ein Brikett aus Schuld, und ich weiche reflexartig zurück, unfähig, diese geronnene Gnade zu fassen.
»Warum ich?«, will sie wissen. »Warum hast du mich gerettet?« Sie dreht mir den Rücken zu, rollt sich auf dem Sitz zusammen und schlingt die Arme um die Schultern. »Von so vielen«, murmelt sie in das Polster. »Warum mich?«
Das sind ihre ersten Fragen. Sie gelten nicht ihrem Wohlergehen, nicht dem Rätsel, warum ich ihren Namen weiß, oder dem Grauen dessen, was ich mit ihr vorhaben könnte; damit hat sie es nicht eilig. Ihre ersten Fragen gelten den anderen. Ihren Freunden, ihrem Geliebten, sie will wissen, warum sie nicht ihre Stelle hat einnehmen können.
Ich bin das Letzte. Der Bodensatz des Universums. Ich lasse das Foto auf den Sitz fallen und sehe zu Boden.
»Es tut … mir leid«, sage ich wieder und verlasse das Flugzeug.
Als ich aus dem Boarding-Tunnel auftauche, stehen ein paar Tote am Gate. Ausdruckslos sehen sie mich an. Wir stehen schweigend da, reglos wie Statuen. Dann haste ich an ihnen vorbei und verschwinde in den dunklen Hallen.
Die Reifen unseres Trucks rumpeln über den rissigen Straßenbelag. Er malträtiert die knirschende Federung des alten Fords, ein leises Dröhnen wie unterdrückte Wut. Ich schaue zu meinen Dad hinüber. Er sieht älter aus, als ich ihn in Erinnerung habe. Schwächer. Er umklammert das Lenkrad. Seine Knöchel sind weiß.
»Dad?«, sage ich.
»Was, Perry?«
»Wohin fahren wir?«
»An einen sicheren Ort.«
Ich beobachte ihn genau. »Gibt es noch sichere Orte?«
Er zögert, zu lange. »Weniger unsichere.«
Aus dem Tal hinter uns, wo wir schwimmen und ins Kino gegangen sind, Erdbeeren gepflückt und Pizza gegessen haben, aus dem Tal, in dem ich geboren und aufgewachsen bin und all das entdeckt habe, was jetzt in mir ist, steigt Rauch auf. Die Tankstelle, wo ich Cola-Fläschchen gekauft habe, steht in Flammen. Die Fenster meiner Grundschule sind zerbrochen. Die Kinder im Schwimmbad schwimmen nicht.
»Dad?«, sage ich.
»Was?«
»Kommt Mom zurück?«
Endlich sieht er mich an, sagt aber nichts.
»Als eine von ihnen?«
Er schaut wieder auf die Straße. »Nein.«
»Ich dachte, alle würden jetzt zurückkommen. Sie auch.«
»Perry«, sagt mein Dad, und das Wort scheint es nur so gerade aus seiner Kehle zu schaffen. »Ich habe es in Ordnung gebracht. Sie kommt nicht.«
Die harten Linien in seinem Gesicht sind faszinierend und abstoßend. Meine Stimme bricht. »Warum, Dad?«
»Weil sie weg ist. Niemand kommt zurück. In Wirklichkeit nicht. Verstehst du das?«
Das borstige Gestrüpp und die kargen Hügel verschwimmen vor meinen Augen. Ich versuche mich auf die Windschutzscheibe zu konzentrieren, die zerquetschten Käfer und die winzigen Risse, aber sie verschwimmen so wie alles andere auch.
»Behalt sie einfach in Erinnerung«, sagt mein Dad. »So sehr du kannst, so lange du kannst. So kommt sie zurück. Wir machen sie lebendig. Und kein idiotischer Fluch.«
Ich betrachte sein Gesicht, versuche die Wahrheit in seinen blinzelnden Augen zu lesen. Ich habe ihn noch nie so reden hören.
»Körper sind bloß Fleisch«, sagt er. »Der Teil von ihr, der zählt … den müssen wir bewahren.«
»Julie.«
»Was?«
»Komm her. Sieh dir das an.«
Mit einem Reißen fährt der Wind durch das zersplitterte Glas des Krankenhauses, das wir plündern. Julie tritt zu mir ans Fenster und schaut nach unten.
»Was macht er da?«
»Ich weiß nicht.«
Unten auf der schneeverwehten Straße läuft ein Zombie im Kreis. Er stößt gegen ein Auto und stolpert, weicht langsam zurück bis zu einer Mauer, dreht sich und schleppt sich in eine andere Richtung. Er macht keine Geräusche und scheint nichts anzusehen. Julie und ich beobachten ihn ein paar Minuten.
»Das gefällt mir nicht«, sagt sie.
»Yeah.«
»Es ist … traurig.«
»Yeah.«
»Was ist los mit ihm?«
»Weiß nicht.«
Er bleibt in der Mitte der Straße stehen und schwankt ein wenig. Seine Miene drückt rein gar nichts aus. Nichts als Haut, die
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