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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Marion
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am Ende alle Wege zu uns, zu den Toten, und zu unserer völlig unglamourösen Unsterblichkeit.
    Die anstehende Verwandlung hat den Mann offensichtlich betäubt. Eine der Jungen bohrt ihre Zähne in seinen Schenkel, und mittlerweile zuckt er nicht einmal mehr. Er beugt sich aber vor und schlägt mit beiden Fäusten auf ihren Kopf ein, bis sich ihr Schädel verformt und ihr Hals hörbar knackt. Mürrisch taumelt sie zur Seite, den Kopf übel verdreht.
    »Falsch!«, brüllt ihr Lehrer. »An … Kehle!«
    Die Kinder weichen zurück und beobachten den Mann argwöhnisch.
    »Kehle!«, wiederholt der Lehrer. Er und sein Assistent trampeln in die Arena und tackeln den Mann, zwingen ihn so zu Boden. Der Lehrer tötet ihn und steht dann auf, das Blut läuft ihm vom Kinn. »Kehle«, sagt er wieder und deutet auf den Leichnam.
    Beschämt gehen die fünf Heranwachsenden ab, und dienächsten fünf werden in die Arena geschoben. Meine Kinder sehen besorgt zu mir hoch. Ich tätschele ihre Köpfe.
    Wir sehen zu, wie der tote Mann weggeschleppt wird, um gefressen zu werden, dann wird gleich der nächste ins Klassenzimmer geschleift. Dieser ist alt und hat graue Haare, dafür ist er groß, wahrscheinlich hat er irgendwann in seinem Leben mal bei der Security gearbeitet. Es braucht drei von uns, ihn sicher reinzuschaffen. Sie werfen ihn in eine Ecke und eilen zurück, um ihm den Eingang zu verstellen.
    Die fünf Jungen sind nervös, aber als der Lehrer sie anbrüllt, wagen sie sich schließlich vor. Als sie nah genug sind, stürzen sich gleich alle fünf auf ihn, zwei packen je einen Arm, und der fünfte geht dem Kerl an die Kehle. Doch der alte Mann ist furchtbar stark. Er fährt herum und schleudert zwei von ihnen wuchtig gegen die Kofferwand. Die Mauer wankt, und ein massiver Aktenkoffer aus Metall kippt und kracht auf den Boden. Der Mann packt ihn am Griff, reißt ihn hoch und lässt ihn auf den Kopf eines der Jungen niedersausen. Der Schädel gibt nach und Hirnmasse quillt heraus. Der Junge schreit nicht, er zuckt nicht, er bebt nicht mal mehr, er zerfällt bloß zu einem Haufen Glieder, so platt und flach wie der Boden, auf dem er liegt, als wäre er schon seit Monaten tot. Mit rückwirkender Endgültigkeit wird der Tod seiner habhaft.
    In der Schule ist es auf einmal ganz still. Die übrigen vier Heranwachsenden ziehen sich aus der Arena zurück. Dass jetzt die Großen hineindrängen und den Mann erledigen, schert keinen. Dumpf resigniert starren wir auf den verkrümmten Leichnam des Jungen. Wer von den Anwesenden seine Eltern sind, lässt sich nicht sagen, da unser aller Mienenspiel kaum zu unterscheiden ist. Doch wer immer sie sind – ihren Verlust werden sie bald vergessen haben. Spätestens morgen werden die Knochen mit einem anderen Kindankommen. Diesem hier gönnen wir ein paar Sekunden unbehaglichen Schweigens, und danach geht die Schule weiter. Einzig ein paar Eltern werfen sich Blicke zu, fragen sich vielleicht, was sie von all dem halten sollen, fragen sich vielleicht, was all das soll, dieser verquere, verdrehte Kreislauf des Lebens. Aber vielleicht bilde ich mir das auch bloß ein.
    Meine Kinder sind die nächsten. Aufmerksam folgen sie der laufenden Stunde, manchmal stellen sie sich auf die Zehenspitzen, um besser zu sehen. Angst aber haben sie keine. Sie sind jünger als der Rest, und wahrscheinlich kriegen sie einen, der zu schwach ist, um groß Gegenwehr zu leisten. Aber das wissen sie noch nicht, und es ist auch nicht der Grund, warum sie sich nicht fürchten. Wenn die ganze Welt auf Tod und Grauen gebaut ist, wenn alles Sein ständig in Panik ist, fällt es schwer, sich überhaupt noch zu erregen. Konkrete Furcht hat jegliche Bedeutung verloren. Wir haben sie mit etwas viel Schlimmerem erstickt.
     
    Bevor ich mich in die 747 wage, laufe ich eine Stunde lang vor dem Boardingtunnel auf und ab. Dann öffne ich leise die Tür des Flugzeugs. Julie liegt zusammengerollt in der Business Class und schläft. Sie hat sich in eine Flickendecke aus zerschnittenen Jeans gehüllt, die ich vor ein paar Wochen als Andenken mitgebracht habe. Die Morgensonne wirft einen Schein auf ihr gelbes Haar und spricht sie heilig.
    »Julie«, flüstere ich.
    Sie öffnet die Augen nur einen Spalt weit. Diesmal springt sie nicht auf, sie weicht auch nicht zurück. Sie schaut mich bloß an, aus müden, geschwollenen Augen. »Was«, murmelt sie.
    »Wie … geht …?«
    »Was glaubst du wohl, wie es mir geht.« Sie dreht mir den Rücken zu und

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