Warnschuss: Thriller (German Edition)
zwei Worten in ein Vorspiel verwandelt hatte.
»Wirklich nicht?«
Jedes Mal, wenn er daran dachte – an den rauchigen Klang ihrer Stimme und an den Blick in ihren Augen –, spürte er eine mächtige körperliche Reaktion. So wie jetzt.
Für einen Polizisten war das eine schlechte und gefährliche Reaktion auf eine Frau, die einen Mann erschossen hatte. Und sie entlarvte die Kritik, die er nach vergleichbaren logischen und moralischen Aussetzern an seinen Kollegen geübt hatte, als Heuchelei.
Außerdem war diese Reaktion verflucht peinlich, solange DeeDee ihm gegenüber am Schreibtisch saß, ihn beobachtete und darauf wartete, dass er ein Urteil über Elises Aussage fällte.
»Was weißt du über sie?«, fragte er so normal wie möglich. »Ihre Vergangenheit, meine ich.«
»Woher soll ich was über ihre Vergangenheit wissen? Sie und ich verkehren kaum in denselben Kreisen.«
»Aber auf dem Galaempfang hast du sie erkannt.«
»Von den Bildern in der Zeitung. Wenn du nicht immer nur die Sportseite und das Kreuzworträtsel lesen würdest, hättest du sie auch erkannt.«
»Sie wird oft erwähnt?«
»Und immer sieht sie blendend aus, trägt Haute Couture und klebt an der Seite ihres Mannes. Sie ist definitiv eine Trophäe für den Richter.«
»Fang an zu graben. Mal sehen, was du über sie findest. Ich fahre in die Pathologie rüber und beschwatze Dothan, Gary Ray Trotters Autopsie vorzuziehen. Wenn ich wieder hier bin, vergleichen wir, was wir haben.« Er leerte seine Kaffeetasse. Dann erhob er sich, bemüht, so natürlich wie möglich zu wirken, und griff nach seinem Sakko.
»Duncan?«
»Ja?«
»Mir ist gerade was aufgefallen.«
Er befürchtete schon, dass DeeDee etwas sagen würde wie: Mir ist gerade aufgefallen, dass du einen Ständer kriegst, wenn wir über die Frau des Richters sprechen.
Aber stattdessen sagte sie: »Mir ist gerade aufgefallen, dass wir den Schusswechsel nicht so behandeln, als hätten wir es mit Notwehr zu tun. Wir ermitteln in eine andere Richtung, habe ich recht?«
Er wünschte fast, sie hätte das andere gesagt.
Vom Auto aus rief er den Pathologen an und überredete ihn, Gary Ray Trotter ganz oben auf seine Liste zu setzen. Bis Duncan eintraf, hatte Dr. Dothan Brooks den Leichnam bereits geöffnet.
»Bis jetzt sind alle Organe unauffällig in Größe und Gewicht«, verkündete Dothan über seine Schulter hinweg und legte einen weiteren Batzen Gewebe auf die Waage.
Duncan lehnte sich an die Wand, hörte zu und beobachtete
aufmerksam, wie der Pathologe methodisch seiner Arbeit nachging. Nur gelegentlich fiel sein Blick auf den Leichnam. Er war nicht besonders empfindlich. Im Gegenteil, es faszinierte ihn, was ein Leichnam alles mitteilen konnte.
Gleichzeitig löste diese Faszination Gewissensbisse aus. Er hatte das Gefühl, nicht besser zu sein als die Menschen, die in der perversen Hoffnung, ein paar Blutlachen und verstreute Körperteile zu erspähen, an den Ort einer Tragödie eilen.
Der Pathologe beendete seine Arbeit und übergab den leeren Leichnam seinem Assistenten, der ihn vernähen würde. Nachdem Dothan alles gereinigt hatte, kam er zu Duncan, der inzwischen in dessen Büro wartete.
»Todesursache ist eindeutig«, erklärte er, während er in den Raum geschnauft kam. »Das Herz war nur noch Pampe. Die Austrittswunde ist größer als eine Salatplatte.«
»Haben Sie noch andere Wunden, Blutergüsse, Kratzer bemerkt, bevor ich ankam?«
»Sie meinen, ob er in einen Kampf verwickelt war? Eine Rauferei?« Er schüttelte den Kopf. »Nichts außer etwas Dreck unter den Fingernägeln und einigen Schmauchspuren an der rechten Hand. Er hatte sich vor langer Zeit mal einen Zeh am linken Fuß gebrochen. Keine Operationsnarben. Beschnitten war er auch nicht.«
»Aus welcher Entfernung wurde er wohl erschossen?«, fragte Duncan.
»Aus ungefähr fünf Metern.«
»Etwa die Entfernung von der Tür zum Arbeitszimmer bis zum Schreibtisch.« Er entsann sich, dass DeeDee vier Meter neunzig gemessen hatte. »Mrs Laird hat also die Wahrheit gesagt.«
»Was das angeht, ja.« Dothan wickelte das Sandwich mit Corned Beef aus, das auf dem Schreibtisch auf ihn gewartet hatte. »Ein kleiner Imbiss. Wollen Sie was abhaben?«
»Nein danke. Glauben Sie, dass Mrs Laird in irgendeiner Hinsicht nicht die Wahrheit gesagt hat?«
Brooks schlug die Zähne in das Sandwich und tupfte sich danach erstaunlich geziert den Senf aus seinen Mundwinkeln. Er kaute, schluckte, rülpste und sagte
Weitere Kostenlose Bücher