Warnschuss: Thriller (German Edition)
Stattdessen brachte er nichts als ein Reifeneisen mit.«
»Und eine Ruger Neun-Millimeter.«
»Gut, die auch. Aber nichts, womit er Schlösser aufbrechen und Safes knacken konnte. Nichts, womit er auch nur eine Schreibtischschublade aufbekommen hätte.«
»Das sind simple Schlösser, die bekommt man mit einem winzigen Schlüssel auf. Sogar ich könnte die in ein paar Sekunden mit einer Sicherheitsnadel knacken«, sagte Duncan.
»Gary Ray hatte nicht mal die dabei. Und noch was, selbst der dämlichste Einbrecher in der Geschichte sollte Handschuhe tragen, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, oder?«
Keiner der Einwände, die sie vorbrachte, war für Duncan wirklich neu. Als er in den frühen Morgenstunden nach Hause gekommen war, hatte er sich wirklich bemüht, einzuschlafen. Aber er hatte keine Ruhe gefunden, weil er ständig an Elises Schilderung jener Ereignisse denken musste, die zum Tod eines Menschen geführt hatten, und an das Drängen des Richters, ihre Darstellung nicht zu hinterfragen.
Jede der Unstimmigkeiten, die DeeDee jetzt anführte, war auch ihm aufgestoßen. Noch bevor er erfahren hatte, dass Gary Ray als Krimineller eine Katastrophe gewesen war, war ihm der Einbruch miserabel geplant und erbärmlich durchgeführt vorgekommen. Der Fehlschlag war praktisch garantiert.
Trotzdem brachte er weiterhin Einwände vor. »Du gehst davon aus, dass Gary Ray den Einbruch geplant hatte.« Er tippte auf die Akte. »Den Unterlagen zufolge war er drogensüchtig. Er hat sein Leben als Stoffel begonnen und sich die letzten brauchbaren Hirnzellen mit illegalen Substanzen zerstört.
Angenommen, er braucht dringend einen Schuss, hat kein Geld, sieht ein Haus, in dem massig brauchbares Zeug rumstehen muss, das er sich schnappen und innerhalb einer halben Stunde verscherbeln kann. Ein Briefbeschwerer aus Kristall oder ein silberner Kerzenständer hätten ihm einen ordentlichen Schuss einbringen können.«
DeeDee sann ein paar Sekunden darüber nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Vielleicht könnte ich an so ein Szenario glauben, wenn er sich in einem Viertel mit Läden aufgehalten hätte. Er sucht sich zum Beispiel einen Elektronikladen für seine Knack-und-Sack-Aktion aus. Selbst wenn die Alarmanlage losgeht, könnte er innerhalb von wenigen Sekunden drin und mit vollen Taschen wieder draußen sein.
Aber nicht da draußen in einer reinen Wohngegend«, fuhr sie fort. »Und schon gar nicht zu Fuß. Niemand hat einen Wagen gefunden, der zu ihm gehört hätte. Das habe ich überprüft, sobald ich heute Morgen hier aufgetaucht bin. Was wollte er ohne einen Fluchtwagen in dieser Gegend?«
»Das habe ich mich gestern Abend auch gefragt«, gab Duncan zu. »Und es lässt mir seither keine Ruhe. Wie ist er dorthin gekommen und wie wollte er wieder wegkommen?«
»Und woher hatte er das Reifeneisen, wenn er keinen Wagen hatte?«, fragte sie. »Was, wenn man es bedenkt, ein ziemlich klobiges Werkzeug für einen Einbrecher ist.«
Die hohe Luftfeuchtigkeit hatte den Kräuselfaktor ihres Haares zusätzlich gesteigert. Es schrubbte durch die Luft wie ein Drahtbesen, als sie den Kopf schüttelte. »Nein, Duncan, da passt einiges nicht zusammen.«
»Und was meinst du dazu?«
Sie pflanzte die Unterarme auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor. »Ich glaube, die engelsgesichtige Mrs Laird erzählt uns nicht die ganze Wahrheit.«
Verflucht noch mal, genau das hatte er auch gedacht.
Er wollte das nicht denken. Er hatte den gesamten frühen Morgen damit zugebracht, sich einzureden, dass Elise Laird ein reineres Gewissen hatte als eine jungfräuliche Nonne, dass in ihrem ganzen Leben keine einzige Lüge über ihre
Lippen gekommen war, dass sie noch nie die Wahrheit zurechtgebogen hatte.
Aber sein Instinkt sagte etwas anderes. Seine Polizeiausbildung sagte etwas anderes. Die fünfzehn Jahre Erfahrung in der Verbrechensaufklärung sagten, dass da etwas nicht passte, dass des Richters Badenixe etwas verschwiegen oder die ganze Geschichte frei erfunden hatte.
Ganz offensichtlich hegte seine Partnerin Zweifel an Elises Wahrheitsliebe, dabei wusste DeeDee nicht einmal von seinem innigen Wortwechsel mit ihr.
Er ermahnte sich, nicht allzu viel in diesen sicherlich unbedeutenden Austausch zu interpretieren und ihn zu vergessen. Doch als wären die Elemente des Schusswechsels, die nicht zusammenpassen wollten, nicht genug, wanderten seine Gedanken immer wieder zu jenem Augenblick zurück, in dem sich eine kurze Frage von
Weitere Kostenlose Bücher