Warnschuss: Thriller (German Edition)
Licht, doch die meisten waren stockdunkel und standen allem Anschein nach leer. Die paar Straßenlaternen, die noch funktionierten, spendeten ein trübes Licht, das nur dazu beitrug, die Schatten tiefer wirken zu lassen.
Der Gehweg war brüchig. Unkraut wucherte aus den breiten Ritzen. Beton zerfiel unter Duncans Schuhen zu Staub, als er an den Vorgarten trat und das Haus studierte. Es war finster.
Alles in allem war es nicht wirklich ratsam hierherzukommen. Zumindest hätte er nicht alleine kommen sollen. Er wusste das und stand dazu. Das war leichtsinnig und dumm und bis zu einem gewissen Grad eigennützig.
»Es geht um Savich. Kommen Sie.«
Das und diese Adresse war alles gewesen, was die rauchige Frauenstimme auf seine Mailbox gesprochen hatte.
Der Anruf war um zweiundzwanzig Uhr siebenunddreißig eingegangen, hatte ihm das Display verraten. Statt einer Nummer war nur »Unterdrückt« zu lesen gewesen.
Ach was.
Er musste sofort an die Frau denken, die Savich ihm vergangenen Samstagabend geschickt hatte. Setzte er sie schon wieder ein? Konnte Savich so unverfroren sein? Eigentlich sah das Savich nicht ähnlich, aber wer Savichs Entscheidungen vorherzusehen versuchte, lag in neun von zehn Fällen falsch.
Vorsichtig ging er über den Plattenweg zur Veranda. Er schaute nach links und rechts, doch soweit er erkennen konnte, rührte sich nichts. Die alten Dielen knarrten unter seinen Füßen, als er über die Veranda zur Haustür schlich.
Es war gut möglich, dass er in eine Falle tappte, die ihn das Leben kosten konnte, das war ihm klar. Er war davon ausgegangen, dass Savich einen Überraschungsangriff starten würde. Hatte er sich getäuscht? Hatte sich Savich stattdessen zu einem Showdown von Angesicht zu Angesicht entschlossen?
Vielleicht hatte Savich in diesem Haus eine weitere grausige Überraschung für ihn bereitgelegt. Den Leichnam von Lucille Jones etwa. Die Prostituierte, mit der sich Savich nach dem Mord an Freddy Morris vergnügt hatte, war immer noch unauffindbar und konnte folglich nicht von der Polizei vernommen werden. Möglicherweise hatte Savich sie für immer zum Schweigen gebracht und ihren Leichnam hier abgelegt, damit Duncan ihn fand.
Gordie Ballew kam ihm ebenfalls in den Sinn. Hatte Savich erfahren, dass sie versucht hatten, Gordie als Spitzel anzuwerben? Zum Glück für Gordie saß er sicher hinter Gittern.
Was dieses Haus auch für ihn bereithalten mochte, jetzt
war der Augenblick der Wahrheit gekommen. Duncan schob die rostige Fliegentür auf, die nur noch an einer Angel hing, und griff nach dem Türknauf. Er drehte sich in seiner Hand. Die Tür war in der Feuchtigkeit so aufgequollen, dass er sich mit der Schulter dagegenlehnen musste, um sie aufzudrücken, doch dann trat er über die Schwelle. Drinnen war es stickig, heiß und muffelte nach altem Haus. Aber nicht nach verfaultem Fleisch, stellte er erleichtert fest.
Er lauschte aufmerksam und nahm sich eine Sekunde Zeit, um sich zu orientieren. Es war ein traditionelles Südstaatenhaus, gebaut vor der Ära der Klimaanlagen, als Querlüftung die einzige Möglichkeit war, das Haus während der brutal heißen Sommer zu kühlen. Früher, vielleicht vor hundert Jahren, war es bestimmt ein hübsches Haus gewesen.
Vor ihm erstreckte sich der Hausflur mit einer Treppe am anderen Ende und mehreren Zimmertüren links und rechts. Er schlich vorwärts und warf einen wachsamen Blick in das erste Zimmer rechts. Es war leer. Wandtäfelungen und mehrere Generationen verblichener, zerschlissener Tapeten. Ein Loch in der Decke, wo früher der Leuchter hing. Wahrscheinlich einst als Esszimmer gedacht.
Er durchquerte den Flur zum Zimmer gegenüber, das als Salon angelegt war. Andere Tapeten, aber nicht weniger zerschlissen. Zerfetzte Gardinen, dünn wie Spinnweben, vor den Fenstern. Das Zimmer war nur sparsam eingerichtet.
In der Mitte des Raumes stand Elise Laird.
Sein Herz machte komische Sachen. Trotzdem hob er die Waffe und zielte auf sie.
»Sie sind gekommen.« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Dasselbe Flüstern, das die Nachricht auf seiner Mailbox hinterlassen hatte. Er fragte sich, warum er ihre Stimme nicht erkannt hatte.
Oder hatte er?
Hatte er, obwohl Savichs Name gefallen war, genau gewusst, wer in diesem dunklen und menschenleeren Haus auf ihn warten würde? Wollte er nur nicht wahrhaben, dass es ihre Stimme war, weil es ihm andernfalls nicht möglich gewesen wäre, guten Gewissens hierherzufahren? Savich lieferte
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