Warnschuss: Thriller (German Edition)

offensichtlich wurde, dass er nicht mehr von Ihnen wollte als das bisschen Rumgehopse, schworen Sie, dass Sie es ihm eines Tages heimzahlen würden. Und dieser
Tag war gestern gekommen, als Sie Detective Bowen und mir erzählten, dass er Coleman Greers schwuler Lover gewesen sei.«
    Sie sah ihn entgeistert an. »Und das glauben Sie?«
    »Eher als Ihre Version.«
    Sie tastete hinter sich nach der gepolsterten Lehne des Sofas, eines der wenigen Möbelstücke im Raum, und setzte sich langsam. Minutenlang starrte sie gedankenverloren ins Leere.
    Schließlich sah sie ihn wieder an. »Er lügt«, stellte sie schlicht fest. »Er lügt. Ja, Coleman hatte mich zu dieser Party eingeladen. Das habe ich Ihnen auch erzählt. Und dort machte er mich mit Tony Esteban bekannt. Coleman betrank sich tatsächlich an diesem Abend. Aber das tat er nur, weil Tony mit mir flirtete. Schon damals hatte sich Coleman in ihn verliebt, und Tony hatte ihm vorgegaukelt, dass sein Interesse erwidert wurde.«
    Duncan blieb stumm und skeptisch.
    »Tony Esteban ist ein Lügner und Betrüger«, verkündete sie mit Nachdruck. »Selbst wenn er nicht schwul oder bi oder was auch immer wäre, würde ich mich bestimmt nicht für ihn interessieren. Er ist ein Widerling. Und ein Egomane. Ich hatte weder an diesem Abend noch irgendwann sonst etwas mit ihm zu schaffen.«
    »Sie unterstellen ihm also dasselbe wie er Ihnen? Wollen Sie behaupten, dass er mir die ganze Geschichte nur erzählt hat, um sich an Ihnen zu rächen, nachdem Sie seine Avancen abgewiesen hatten?«
    »Es interessiert mich einen feuchten Dreck, was ihn antreibt. Und es interessiert mich noch weniger, was er von mir hält«, sagte sie. »Aber was seine Beziehung zu Coleman angeht, lügt er. Tony hat meinem Freund das Herz gebrochen. Er hatte Angst, dass sie auffliegen könnten, darum wollte er sich um keinen Preis weiter mit Coleman treffen.
    Coleman wurde monatelang nicht mit dieser Abfuhr fertig. Damals trafen wir beide uns öfter. Er litt und er brauchte jemanden, mit dem er offen über die Liebesaffäre sprechen konnte, jemanden, dem er wirklich vertraute. Er war am Ende, nachdem Tony Esteban mit ihm Schluss gemacht hatte, und deshalb brachte er sich schließlich um. Das ist die Wahrheit. Ehrenwort!«
    Duncan zog seine Jacke aus und wischte sich mit dem Hemdärmel den Schweiß von der Stirn. Ihm war heiß, er war aufgewühlt, er merkte, dass er gefährlich nahe dran war, ihr zu glauben, und widersprach darum umso heftiger. »Esteban ist mit einer rothaarigen Sexbombe verlobt. Sie befolgt seine Befehle wie ein dressierter Seelöwe. Er hat ihr ein Paar extragroße Brüste gekauft und einen Diamantring, es ist schwer zu sagen, was davon größer ist. Sie heiraten diesen Herbst.«
    »Natürlich hat er so ein Mädchen. Das hatte er schon immer. Auch das war ein ständiger Zankapfel zwischen ihm und Coleman. Immer wenn Tony vor seinen Teamkameraden mit seinen sexuellen Eroberungen prahlte oder sein neuestes Betthäschen präsentierte, verletzte er Coleman.
    Aber Tonys aufgetragener Machismo ist nichts als Show, Duncan. Diese Ehe ist ein einziger Schwindel. Begreifen Sie denn nicht, dass dieses Theater nur Tarnung ist? Die Rothaarige ist sein Alibi. Innerhalb eines Jahres wird die Kleine ein Kind bekommen. Dafür wird er sorgen.«
    Duncan hatte sich etwas Ähnliches zurechtgelegt, aber er war noch nicht bereit, das zuzugeben.
    »Tony behandelte Coleman wie den letzten Dreck«, sagte sie. »Am einen Tag überschüttete er ihn mit Liebe, am nächsten ignorierte er ihn. Das ständige Wechselbad machte Coleman krank.«
    »Warum liebte Coleman ihn dann so?«
    Ein paar Sekunden blieb sie still, dann sagte sie leise:
»Ich glaube nicht, dass wir uns aussuchen können, in wen wir uns verlieben? Sie etwa?«
    Plötzlich kam ihm der Raum dunkler, kleiner, stickiger vor. Duncans Haut war klamm; sein Körper vibrierte wie eine Stimmgabel. Er wandte den Blick ab.
    Dann sagte er: »Ich weiß nicht, wer schwul ist und wer nicht und wer es mit wem getrieben hat, ehrlich gesagt kommt es darauf auch nicht an. Es kommt allein darauf an, dass Meyer Napoli etwas gegen Sie in der Hand hat. Der Richter hat ihn bezahlt, aber Napoli ist geschäftstüchtig und sah sofort, wie er ein paar Dollar mehr herausschlagen konnte.
    Also wandte er sich an Sie und drohte, Ihr kleines schmutziges Geheimnis auffliegen zu lassen, wenn Sie nicht auf seine Forderungen eingingen. Sie waren dazu bereit und wollten sich irgendwann nachts mit