WARP 1 - Der Quantenzauberer (German Edition)
nicht allen Ernstes ein Trinkgeld, oder?«, fragte Chevie ungläubig.
Waldos Lächeln verschwand, und er schloss die Hand zur Faust, als würde er die Seele eines Feindes zerquetschen.
»Macht der Gewohnheit«, sagte er und verschwand mit einem Piepen der Fernbedienung.
Die nächste halbe Stunde versuchten Chevie und Riley sich zu entspannen, doch es gelang ihnen nicht, das frostige Gefühl drohender Gefahr abzuschütteln. Und es war nicht nur eine vage Ahnung, dass etwas Ungutes passieren könnte, sondern die eindeutige Befürchtung, dass Albert Garrick die Sicherheitstür durchbrechen und sie beide in den Kopf schießen würde.
Chevie fragte sich, ob sie jemanden anrufen sollte. Aber was sollte sie demjenigen dann erzählen?
Das FBI besitzt mehrere Zeitmaschinen, um Zeugen in der Vergangenheit zu verstecken .
Oder: Ein mordlüsterner Zauberer ist aus dem neunzehnten Jahrhundert gekommen, um einen Straßenjungen zu töten .
Oder: Der größte Wissenschaftler der Welt ist bei seiner Reise durch ein Wurmloch in einen Affen verwandelt worden .
Es klang ziemlich verrückt, ganz gleich wie man es formulierte. Nein, es war wohl besser zu warten, bis die Verstärkung kam, und zu hoffen, dass der zuständige Agent wusste, worum es ging, denn sonst würde es so aussehen, als hätte sie etwas verbrochen.
Riley kam aus dem Schlafzimmer, ganz aufgeputzt in einer Schuluniform aus Waldos Klamottenvorrat. Als er sich im Spiegel sah, staunte er über sein eigenes Aussehen.
»Das ist aber ein prächtiger Spiegel, Miss Savano. So klar hab ich mich noch nie gesehen. Schauen Sie mal, meine Haare sind nicht nur schwarz, sondern auch braun. Das ist ja ’n Ding.«
Der Junge musterte sich ausgiebig, zupfte an der hellen Haut seines Gesichts und strich sich die langen dunklen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann entdeckte er im Spiegel den Flachbildfernseher.
»Was ist das für ein Ding, das da an der Wand hängt? Ein Kunstwerk? Mondlose Nacht oder so was? Die reichen Kerle kaufen jeden Mist, wenn sie nur glauben, dass es ein Meister gemalt hat.«
»Das ist ein Fernseher, Riley. Bewegliche Bilder auf einem Schirm.«
Riley drehte sich um und starrte das Gerät an. »Bewegliche Bilder.« Plötzlich kam ihm ein Gedanke. »Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war ich im Jahr des Herrn 1898. Wie weit bin ich denn gereist?«
»Über hundert Jahre«, sagte Chevie leise.
Riley sank auf ein Sofa, blickte zu Boden und schlang die Arme um sich. »Hundert Jahre? So weit? Dann sind ja alle Leute, die ich kenne, tot, und alle Sachen, die ich kenne, verschwunden.«
Chevie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie versuchte, sich in die Lage des Jungen hineinzuversetzen, doch es gelang ihr nicht. Es musste ein gewaltiger Schock sein.
»Ich komme mir völlig verloren vor«, gestand Riley. Er überlegte einen Moment, dann sagte er: »Aber Garrick nicht. Er ist irgendwie anders. Etwas hat ihn verändert. Er kennt Ihre Waffen und die Codes. Wer weiß, vielleicht hat er auch längst den Code für die Bude hier?«
Chevie setzte sich auf den niedrigen Couchtisch aus Glas und sah den Jungen an. »Garrick wäre verrückt, wenn er hierherkäme. Er würde sich im London von heute sofort verlaufen, und warum sollte er sich überhaupt so viel Mühe machen, dich zu suchen?«
»Es ist schwer zu erklären, wie er denkt«, sagte Riley und runzelte die Stirn. »Er nennt mich seinen Sohn und meint, er kann mit mir machen, was er will. Aber ich bin nicht sein Sohn, und ich hasse ihn. Ich bin schon ein paarmal durchgebrannt, und er hat mich jedes Mal quer durch die ganze Stadt verfolgt.« Er deutete auf sein eines Auge. »Letztes Jahr bin ich bis nach Saint Giles gerannt und hab mich bei den Straßenjungen versteckt, aber einer von Garricks Spitzeln hat mich verraten. Der Teufel hat mich aufgestöbert und mir eine Tracht Prügel verpasst, die sich gewaschen hatte. Mein eines Auge ist nie wieder so geworden wie vorher, aber ich kann immer noch ganz gut damit sehen. Und jetzt ist Garrick mir sogar hierhergefolgt, wie der Zeitreisende in Mister Wells Buch.«
»Nun, hier hat Mister Garrick keine Spitzel«, sagte Chevie. »Und nur zu deiner Information: Seit Jahren versuchen immer wieder Leute, diese Tauchstation zu finden. Leute aus diesem Jahrhundert. Und wenn die es nicht schaffen, schafft er es auch nicht. Du hast ja keine Ahnung, wie viel sich seit deinen Zeiten verändert hat.« Dann fiel ihr etwas ein. »Aber ich kann dir vielleicht ein paar Beispiele
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