WARP 1 - Der Quantenzauberer (German Edition)
verschwanden sie im dichten Verkehr Richtung Leicester Square.
Riley saß vornübergebeugt da, den Kopf zwischen den Knien, und rang mühsam nach Luft, bis das Zittern ein wenig nachließ. »Der Geruch, Miss. Das ist ja wie in der Tasche eines Apothekers. Ich kann die Stadt nicht riechen.«
Chevie klopfte ihm auf den Rücken. »Ich nehme an, heutzutage ist es hier etwas sauberer. Keiner kippt mehr seinen Nachttopf aus dem Fenster.«
»Ich kann auch keine Leute riechen. Gibt es jetzt weniger Leute als früher?«
Chevie sah hinaus auf das wimmelnde Großstadtleben, das an ihnen vorbeiglitt. »Nicht unbedingt.«
Die Hände um die Knie geklammert, hob Riley vorsichtig den Blick.
»Pferde sind da auch nicht, oder?«, krächzte er.
»Nein. Nur manchmal vor dem Buckingham Palace.«
Riley richtete sich auf und drückte das Gesicht an die Scheibe. »Bei uns gibt es hauptsächlich Pferde. Aber ich habe schon Automobile gesehen, die jagen mir also nicht allzu viel Angst ein.«
In dem Moment näherte sich ihnen auf der Nebenfahrbahn ein Doppeldeckerbus.
Riley zuckte zusammen. Ein Automobil von der Größe einer Kutsche konnte er ja vielleicht verkraften, aber das Exemplar hier war größer als ein Frachtkahn.
Staunend betrachtete er ein modernes Wunder nach dem anderen. Neonschilder. Computerläden. Wolkenkratzer. Dann entdeckte er etwas Vertrautes.
»Da ist doch tatsächlich ein gutes altes Pub!«, rief Riley überrascht. »Können wir da reingehen, Agent Savano? Ein Gläschen Brandy für meine Nerven?«
Chevie schnaubte. »Du kriegst keinen Alkohol, Riley.«
»Warum nicht? Ist das jetzt verboten?«
»Ja, genau. Total verboten. Wenn du auch nur ein Gläschen anrührst, muss ich dich erschießen.«
Riley seufzte, dann hob er den Blick zum Himmel und begann plötzlich so heftig zu atmen, dass die Scheibe beschlug.
»A-A-Agent Savano?«
Chevie war gerade damit beschäftigt, eine Nummer in ihr Handy zu tippen. »Gleich, Kleiner.«
Riley berührte ihren Arm mit dem Zeigefinger, und sie spürte, wie er zitterte.
»Sind das die Marsianer, Miss? Wie in der neuen Geschichte von Mister Wells, Krieg der Welten ?«
Chevie folgte seinem verängstigten Blick und sah den Umriss eines Passagierflugzeugs über ihnen.
»Keine Angst, Kleiner. Das ist bloß Ryanair, keine außerirdische Invasion, obwohl ich verstehe, wie du daraufkommst. Ich glaube, ich schaffe dich besser von der Straße, sonst platzt dir noch der Kopf.«
»Oh Gott. Muss man in dieser Zeit damit rechnen, dass einem der Kopf platzt? Liegt es an der Hitzestrahlung? Ich brauche einen Brandy, Miss, bei meinem Leben.«
Chevie tippte die letzten drei Ziffern ein. »Du brauchst keinen Brandy, Riley, du brauchst eine Tauchstation.«
»Tauchen? Ich kann noch nicht mal schwimmen!«, rief Riley entsetzt.
Chevie hielt ihr Handy ans Ohr. »Keine Sorge, du musst nicht ins Wasser.«
Das FBI hatte mehrere Häuser, Wohnungen und Hotelzimmer in London, für den Fall, dass einer der Agenten während eines Einsatzes in Schwierigkeiten geriet und einen Ort brauchte, wo er sich verstecken konnte, bis Verstärkung von der amerikanischen Botschaft kam.
Diese Verstecke hießen offiziell Schutzraum, doch die Agenten nannten sie Tauchstation, nach dem gleichnamigen Begriff aus Double Trouble , einer Spionageserie aus den Siebzigerjahren mit dem berühmten englischen Schauspieler Sir Olivier Gamgud und seinem treuen Yorkshireterrier.
Die nächstliegende Tauchstation war eine Suite im Garden Hotel, einem diskreten kleinen Luxushotel an der Monmouth Street, wo sich jeden Morgen Models und Filmstars beim berühmten Frühstücksbüfett trafen. Im FBI kursierte das Gerücht, der Leiter des Londoner Büros hätte das Garden Hotel gewählt, weil es so nah bei der Monmouth Coffee Company lag, einem Café, wo man angeblich den besten Espresso außerhalb von São Paolo bekam.
Chevie rief die Rezeption an und fragte nach Waldo.
»Hallo, hier spricht Waldo«, sagte eine tiefe Stimme. »Was kann ich für Sie tun?«
Chevie sprach langsam und hielt sich genau an die Vorgaben. Waldo war berüchtigt für seine Pingeligkeit und würde einfach auflegen, falls sie vom festgelegten Wortlaut abwich.
»Ich möchte mit meinem Onkel Sam sprechen, Waldo«, sagte sie. »Er ist in Zimmer eins-sieben-sieben-sechs.«
Waldo schwieg so lange, dass Chevie schon dachte, er hätte aufgelegt.
»Verzeihung, wie war die Zimmernummer Ihres Onkels?«
Chevie kochte innerlich und schwor sich, Waldo bei der
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