Warrior Cats - Die Macht der Drei 05 - Lange Schatten
unbedingt raten.« Distelblatt bohrte ihre Krallen energisch in die Erde. Wenn sie nur an Sol dachte, stellten sich sofort ihre Nackenhaare auf. »Falls er vorhat, das Gesetz der Krieger zu zerstören, hat er hier nichts verloren.«
Löwenglut öffnete den Mund, um zu protestieren, überlegte es sich dann aber anders. Distelblatt gefiel der unschlüssige Ausdruck in seinen Augen nicht. War es möglich, dass er Sol in Schutz nehmen wollte, trotz allem, was der Einzelläufer dem SchattenClan angetan hatte?
Mit einer Kopfbewegung zog Distelblatt die Aufmerksamkeit ihres Bruders auf sich. »Glaubst du etwa immer noch an diese Krähenfraß fressende Plage?«, fauchte sie leise.
Löwenglut schüttelte den Kopf. »So schlimm ist er doch gar nicht. Ich hatte gehofft, dass er jetzt als Mentor wieder zu uns kommt.«
Distelblatt starrte ihn ungläubig an. »Warum sollte er uns helfen? Und wieso willst du das überhaupt? Du hast doch gesehen, was er dem SchattenClan angetan hat. Er hat sie dazu überredet, das Gesetz der Krieger zu missachten!«
»Was hat unsere Bestimmung denn mit dem Gesetz der Krieger zu tun?«, widersprach Löwenglut, wobei er sich mit einem Blick über die Schulter versicherte, dass keine Katze mithören konnte.
Distelblatt schnaubte. »Sol ist eine gefährliche Katze. Falls er wiederauftaucht, halt dich lieber von ihm fern. Unser Schicksal wird sich erfüllen, ganz gleich, was wir tun oder nicht tun. Das ist doch schließlich der Sinn einer Prophezeiung, oder?«
Löwenglut sah sie nicht an. Er hatte aufgehört zu protestieren, aber während Distelblatt zum Kriegerbau tappte, fragte sie sich, ob es ihr wirklich gelungen war, ihn zu überzeugen.
Distelblatt stand auf einer steilen Uferböschung am See und prüfte die Luft auf der Suche nach Beute. Hinter ihr schlichen Borkenpelz und Ampferschweif, die auch zur Jagdpatrouille gehörten, durchs Unterholz. Ein kühler Wind wehte die Blätter von den Bäumen und trieb sie rot und golden wirbelnd an Distelblatt vorbei. Obwohl die Sonne aufgegangen war, knirschte der Boden frostig unter ihren Pfoten.
Distelblatt zuckte mit den Ohren, als ihr der Geruch einer Wühlmaus vom Wind zugetragen wurde. Herzschläge später entdeckte sie die ziemlich fette Beute unter einer Wurzel etwas weiter unten am Abhang. Sie duckte sich, begann, sich anzuschleichen, sorgsam darauf bedacht, ihre Pfoten leicht wie Blätter aufzusetzen.
Sie wusste genau, dass sie kein Geräusch gemacht hatte, hatte aber noch nicht einmal die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als der Wühler aufschreckte und den Abhang hinab Richtung See huschte. Mäusedung! Distelblatt sprang hinterher, aber bis sie den Kiesstrand erreicht hatte, war ihre Beute verschwunden.
Wütend beschnupperte sie sämtliche Löcher am Ufer, überall roch es intensiv nach Wühlmäusen, aber nirgendwo war an sie heranzukommen.
»Hallo, Distelblatt.«
Beim Klang der tiefen Stimme erstarrte Distelblatt. Sie wirbelte herum und sah Sol auf dem Kies sitzen, den Schwanz ordentlich über die Pfoten gelegt. Sein braun-weißer Pelz mit den Schildpattflecken war glatt und gepflegt und seine hellgelben Augen leuchteten.
»Was hast du hier zu suchen?«, wollte Distelblatt wissen. Jedes Haar in ihrem Pelz kribbelte, ihr Schwanz war zur doppelten Größe aufgeplustert und in ihrem Bauch rumorte es voller Misstrauen gegen diese mächtige Katze. »Ich dachte, du wärst fort.«
Für einen Herzschlag blitzten die Augen des Einzelläufers zornig auf und seine Krallen bohrten sich in den Kies. Aber dann saß er schon wieder so gelassen da, dass Distelblatt fast glaubte, sie hätte sich seine Reaktion nur eingebildet.
»Ich bin vom SchattenClan weggegangen, den See kann ich aber noch nicht verlassen«, miaute Sol mit ruhiger Stimme. Keine der Katzen, denen Distelblatt je begegnet war, nicht einmal Feuerstern, trat so selbstsicher auf wie er. »Die Clans brauchen mich. Sie wissen es nur noch nicht. Ihr braucht mich, Distelblatt.«
Distelblatt schluckte, als sie merkte, dass sie sich beinahe wieder von Sols Stimme betören ließ. »Da täuschst du dich«, beharrte sie. »Ich brauche dich nicht, und Löwenglut und Häherpfote genauso wenig.«
»Bist du dir da ganz sicher?« Sols Bernsteinaugen fixierten sie, einen Herzschlag lang fühlte sich Distelblatt wie ein Beutetier, gefangen in den Krallen eines Kriegers.
»Ziemlich sicher.« Sie zwang sich zu einem festen Ton. »Wir werden unsere Bestimmung auch ohne deine Hilfe finden, weil das
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