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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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daß ich jetzt weiß, wie wenig Gutes ich erreicht und wieviel Schaden ich der Welt zugefügt habe.
    Er wanderte durch die dunklen Straßen von Pasadena, bis er ein Taxi entdeckte und es heranwinkte. Es hielt neben ihm, und er stieg ein, und dann fragte er sich, wohin er sich wenden sollte.
    »Sie meinen «, erkundigte sich das Taxi, »Sie wissen nicht, wo Sie wohnen, Sir? «
    »Bring mich nach Tijuana «, erklärte er plötzlich.
    »Ja, Sir «, erwiderte das Taxi und schoß mit großer G e schwindigkeit in Richtung Süden davon.
     

14
     
    Nacht über Tijuana. Ziellos wanderte er umher, schlurfte über den Bürgersteig, vorbei an den Neonreklamen der schmalen, barackenähnlichen Geschäfte, lauschte dem G e schrei der mexikanischen Händler und genoß wie immer die Geschäftigkeit und das sinnlose, nervöse Hupen der Flitzer und Automatentaxen und der altmodischen turbinenbetri e benen Bodenautos, die in den USA hergestellt und irgen d wie vor ihrer Verschrottung über die Grenze gebracht wo r den waren.
    »Ein Mädchen, Mister? « Ein Junge, kaum älter als elf Jahre, zupfte Eric am Ärmel. »Meine Schwester; sie ist erst sieben und hat noch nie in ihrem Leben mit einem Mann geschlafen; ich versichere Ihnen vor Gott, daß Sie garantiert der erste sein werden. «
    »Wieviel? « fragte Eric.
    »Zehn Dollar plus die Kosten für das Zimmer; im Namen Gottes, es muß in einem Zimmer stattfinden; auf der Straße wird die Liebe zu etwas Schmutzigem; Sie können es nicht hier draußen tun und danach noch sich selbst achten. «
    »Eine Feststellung «, stimmte Eric zu. Aber er ging weiter.
    In der Nacht verschwanden die Robameisen-Händler mit ihren riesigen, unnützen, maschinengefertigten Teppichen und Körben, ihren Karren voller landeseigener Spezialitäten; die Tagmenschen von Tijuana zogen sich zusammen mit den wohlgenährten amerikanischen Touristen zurück, um Platz zu machen für die Nachtmenschen. Eilige Männer schoben sich an ihm vorbei; ein Mädchen in einem engen Rock und einer dünnen Bluse passierte seinen Weg und preßte sich kurz an ihn … als ob zwischen uns beiden eine dauerhafte Verbindung besteht, die unser ganzes Leben durchdringt, dachte er, und dieser kurze Hitzeaustausch durch die Berü h rung unserer Körper drückt das tiefstmögliche Verständnis zwischen uns beiden aus. Das Mädchen ging weiter und ve r schwand. Kleine kräftige Mexikaner, Jugendliche, die tief ausgeschnittene Pelzpullover trugen, gingen direkt auf ihn zu, und ihre Münder standen offen, als würden sie beständig nach Luft schnappen. Vorsichtshalber trat er zur Seite.
    In einer Stadt, wo alles erlaubt ist, dachte er, und nichts Bedeutung erlangt, wird man zurück in seine Kindheit ve r setzt. Umgeben von seinen Bauklötzen und Spielzeugen, wo sich das ganze Universum in Griffweite befindet. Der Preis dafür ist hoch: Er besteht aus dem Verlust des Erwac h senseins. Und trotzdem gefiel es ihm hier. Die Geräusche und Bewegungen repräsentierten das wahre Leben. Es gab Menschen, die dies alles für böse hielten; er dachte anders darüber. Die Menschen, die dieser Meinung waren, hatten unrecht. Die rastlosen, umherirrenden Männer, die auf der Suche nach Gott-weiß-was waren, nach etwas, das sie selbst nicht einmal benennen konnten: Ihre Anstrengungen waren wie die des ursprünglichen Protoplasmas selbst. Diese irr i tierend sinnlose Unrast hatte einst das Leben aus dem Meer ans Land getrieben; und jetzt, wo sie Kreaturen des Landes waren, streiften sie noch immer umher und bewegten sich ziellos durch die Straßen. Und er gehörte zu ihnen.
    Vor ihm befand sich ein Tätowiersalon, modern und r a tionell eingerichtet, beleuchtet von einer Wand aus glose n der Energie, und in ihm arbeitete der Tätowierer mit seinen elektrischen Nadeln, die nicht die Haut berührten, sondern nur dicht über sie hinwegglitten. Wie wäre es damit, fragte sich Eric. Was könnte ich mir einbrennen lassen, welches Motto oder welches Bild würde mir in diesen ungewöhnl i chen Zeiten der Bedrohung Trost spenden? In diesen Zeiten, wo wir darauf warten, daß die Stemmensehen erscheinen und alles übernehmen? Hilflos und ängstlich wie wir sind, werden wir alle unsere Männlichkeit verlieren.
    Er betrat den Tätowiersalon, nahm Platz und fragte: »Können Sie auf meiner Brust etwas wie …« Er zögerte. Der Tätowierer arbeitete an seinem Kunden weiter, einem kräftigen UNO-Soldaten , der blicklos vor sich hin starrte. »Ich möchte ein Bild «,

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