Warte auf das letzte Jahr
gezwungen, seine Landsleute und Berater ebenfalls auf diese Weise zu betrachten, sie kalt zu fixieren. Es war eine Art von Aufmerksamkeit, die es unmöglich machte, sich gefühlsmäßig in ihn hineinzuversetzen; in diesen Augen gab es keinen Hinweis darauf, was in seinem Innern vorging, sie reflektierten dem Beobachter seine eigene Persönlichkeit. Die Augen verhinderten jegliche Verständigung; sie waren wie eine undurchdringliche Mauer.
Freneksy war kein Bürokrat, und es war ihm unmöglich – selbst wenn er es versuchen würde –, sich seinem Amt u n terzuordnen. Freneksy blieb ein Mensch – im schlechten Sinne; er bewahrte, selbst wenn er seinen offiziellen Aufg a ben nachging, die Essenz seiner Persönlichkeit, als ob alles bewußt und vorsätzlich ein Kampf zwischen einzelnen Pe r sonen und nicht zwischen abstrakten oder ideellen Probl e men sei.
Premierminister Freneksy, erkannte Eric, beraubte alle anderen der Unverletzlichkeit ihrer offiziellen Ämter, der Sicherheit gewährenden Realität ihrer rechtmäßigen Ste l lungen. Sobald sie Freneksy gegenüberstanden, wurden sie wieder das, was sie gewesen waren: isolierte, vereinzelte Menschen, die nicht mehr über die Unterstützung ihrer Inst i tutionen verfügten, die sie repräsentieren sollten.
Molinari zum Beispiel. Gewöhnlich war der Maulwurf der UNO-Generalsekretär; ein Mensch, der erfolgreich in seinem Amt aufgegangen war. Aber im Angesicht Freneksys blieb nur der nackte, glücklose, einsame Mann übrig – und in dieser unseligen, unendlich währenden Gestalt mußte er dem Minister entgegentreten. Die normale Relativität der Existenz, das Zusammenleben mit anderen in einem fließe n den Zustand mehr oder weniger ausreichender Sicherheit, gab es nicht mehr.
Armer Gino Molinari, dachte Eric. Denn was Freneksy betraf, so hätte der Maulwurf ebensogut gar nicht UNO-Generalsekretär zu werden brauchen. Und in der Zwische n zeit war Premierminister Freneksy sogar noch kühler, noch lebloser geworden. Ihm ging es nicht darum, zu zerstören oder zu herrschen; er nahm seinem Gegner lediglich alles, was er besaß – und ließ ihm buchstäblich nichts.
Jetzt war Eric auch vollkommen klar, warum Molinaris tödliche Krankheiten ihn nicht das Leben gekostet hatten. Die Krankheiten waren nicht nur eine Folge des Stresses, dem er unterworfen war; sie waren gleichzeitig auch eine Minderung dieser Belastung.
Noch konnte er nicht genau sagen, wieso die Krankheiten eine Antwort auf Freneksys Einfluß darstellten. Doch tief im Innern war er überzeugt, daß er es sehr bald erfahren würde; die Konfrontation zwischen Freneksy und Molinari stand unmittelbar bevor, und alles, was der Maulwurf gegen ihn aufzubieten hatte, würde er einsetzen müssen, wollte er, M o linari, überleben.
Neben Eric murmelte einer der Staatsbeamten: »Ve r dammt drückende Luft hier, meinen Sie nicht auch? Ich wünschte, man würde ein Fenster öffnen oder die Klimaa n lage höherschalten. «
Nein, dachte Eric, keine Klimaanlage könnte an der drü c kenden Atmosphäre etwas ändern, denn der Druck geht von jenen aus, die uns gegenübersitzen, und er wird erst ve r schwinden, wenn auch sie verschwinden – und mögliche r weise selbst dann nicht.
Molinari beugte sich zu Eric hinüber: »Hören Sie, Do k tor, haben Sie Ihre Ärztetasche bei sich? «
»Sie befindet sich in meinem Konap. «
Molinari beauftragte einen Robameisen-Kurier, die T a sche zu holen. »Ich möchte, daß Sie Ihre Instrumente immer bei sich haben, Eric. « Er räusperte sich und wandte dann seine Aufmerksamkeit wieder den Sternmenschen zu. »M i nister Freneksy, ich möchte … äh … eine Erklärung abg e ben; eine Erklärung, die die grundsätzlichen Positionen der Erde hinsichtlich …«
»Generalsekretär «, unterbrauch ihn Freneksy in Englisch, »bevor Sie irgendeine Erklärung verlesen, möchte ich Sie zunächst über die Kriegssituation an der Front A unterric h ten. « Freneksy erhob sich; einer seiner Adjutanten entrollte eine Kartenprojektion, deren Abbild plötzlich an der Rüc k wand des Konferenzsaales zu sehen war. Im Raum wurde es dunkel.
Brummend schob Molinari seine vorbereitete Erklärung zurück in die Innentasche seiner Uniformjacke; er würde keine Gelegenheit bekommen , sie zu verlesen. Zu offe n sichtlich hatte er versucht, den Verlauf der Konferenz zu bestimmen. Und für einen politischen Strategen war dies ein gravierender Fehler. Die Initiative, falls sie jemals von ihm ausgegangen
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