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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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jede Maschine in der Lage ist, das Gesagte zu speichern, und dies nicht unseren Wünschen entspricht.«
    Molinari nickte grunzend.
    Dann erschien Freneksy; die Delegierten des Lilisterns und einige Mitglieder der irdischen Abordnung erhoben sich respektvoll. Die Sternmenschen klatschten, als der kahlköpfige, hagere Mann mit dem sonderbar kugelförmigen Kopf grußlos Platz nahm, seine Aktentasche öffnete und einen Stoß Papiere hervorholte.
    Aber seine Augen … Als Freneksy kurz zu Molinari hinüberblickte und ihm knapp zulächelte, da bemerkte Eric, daß der Premierminister paranoide Augen besaß. In seiner Laufbahn als Arzt war er diesem Phänomen schon mehrfach begegnet, und es fiel ihm nicht, schwer, dies festzustellen. Freneksys Blick drückte nicht normales Mißtrauen aus; er war starr, leblos durch die Anstrengung, die es bedeutete, all seine Kräfte zusammenzufassen und in einer einzigen psychomotorischen Konzentration zu vereinigen. Es war nicht Freneksys Absicht; tatsächlich war er sogar machtlos dagegen, war gezwungen, seine Landsleute und Berater ebenfalls auf diese Weise zu betrachten, sie kalt zu fixieren. Es war eine Art von Aufmerksamkeit, die es unmöglich machte, sich gefühlsmäßig in ihn hineinzuversetzen; in diesen Augen gab es keinen Hinweis darauf, was in seinem Innern vorging, sie reflektierten dem Beobachter seine eigene Persönlichkeit. Die Augen verhinderten jegliche Verständigung; sie waren wie eine undurchdringliche Mauer.
    Freneksy war kein Bürokrat, und es war ihm unmöglich – selbst wenn er es versuchen würde –, sich seinem Amt unterzuordnen. Freneksy blieb ein Mensch – im schlechten Sinne; er bewahrte, selbst wenn er seinen offiziellen Aufgaben nachging, die Essenz seiner Persönlichkeit, als ob alles bewußt und vorsätzlich ein Kampf zwischen einzelnen Personen und nicht zwischen abstrakten oder ideellen Problemen sei.
    Premierminister Freneksy, erkannte Eric, beraubte alle anderen der Unverletzlichkeit ihrer offiziellen Ämter, der Sicherheit gewährenden Realität ihrer rechtmäßigen Stellungen. Sobald sie Freneksy gegenüberstanden, wurden sie wieder das, was sie gewesen waren: isolierte, vereinzelte Menschen, die nicht mehr über die Unterstützung ihrer Institutionen verfügten, die sie repräsentieren sollten.
    Molinari zum Beispiel. Gewöhnlich war der Maulwurf der UNO-Generalsekretär; ein Mensch, der erfolgreich in seinem Amt aufgegangen war. Aber im Angesicht Freneksys blieb nur der nackte, glücklose, einsame Mann übrig – und in dieser unseligen, unendlich währenden Gestalt mußte er dem Minister entgegentreten. Die normale Relativität der Existenz, das Zusammenleben mit anderen in einem fließenden Zustand mehr oder weniger ausreichender Sicherheit, gab es nicht mehr.
    Armer Gino Molinari, dachte Eric. Denn was Freneksy betraf, so hätte der Maulwurf ebensogut gar nicht UNO-Generalsekretär zu werden brauchen. Und in der Zwischenzeit war Premierminister Freneksy sogar noch kühler, noch lebloser geworden. Ihm ging es nicht darum, zu zerstören oder zu herrschen; er nahm seinem Gegner lediglich alles, was er besaß – und ließ ihm buchstäblich nichts.
    Jetzt war Eric auch vollkommen klar, warum Molinaris tödliche Krankheiten ihn nicht das Leben gekostet hatten. Die Krankheiten waren nicht nur eine Folge des Stresses, dem er unterworfen war; sie waren gleichzeitig auch eine Minderung dieser Belastung.
    Noch konnte er nicht genau sagen, wieso die Krankheiten eine Antwort auf Freneksys Einfluß darstellten. Doch tief im Innern war er überzeugt, daß er es sehr bald erfahren würde; die Konfrontation zwischen Freneksy und Molinari stand unmittelbar bevor, und alles, was der Maulwurf gegen ihn aufzubieten hatte, würde er einsetzen müssen, wollte er, Molinari, überleben.
    Neben Eric murmelte einer der Staatsbeamten: »Verdammt drückende Luft hier, meinen Sie nicht auch? Ich wünschte, man würde ein Fenster öffnen oder die Klimaanlage höherschalten.«
    Nein, dachte Eric, keine Klimaanlage könnte an der drückenden Atmosphäre etwas ändern, denn der Druck geht von jenen aus, die uns gegenübersitzen, und er wird erst verschwinden, wenn auch sie verschwinden – und möglicherweise selbst dann nicht.
    Molinari beugte sich zu Eric hinüber: »Hören Sie, Doktor, haben Sie Ihre Ärztetasche bei sich?«
    »Sie befindet sich in meinem Konap.«
    Molinari beauftragte einen Robameisen-Kurier, die Tasche zu holen. »Ich möchte, daß Sie Ihre Instrumente

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