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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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Zugluft, das durch das Haus atmete, auch Madan erreichte. Er hatte es klingeln gehört und erwartete, daß jeden Moment eine der neugierigen Damen aus dem Club hereinplatzte. Als er keine hohen Stimmen hörte, blickte er durch den Türspalt und sah den glatt gekämmten, modisch gekleideten Mann mit der dunklen Sonennbrille in der Halle umhergehen. Daß dieser Mann ein Hochstapler war, hätte Madan schon auf hundert Meter Entfernung gerochen. Er war in seinem Leben so vielen Dieben und Betrügern begegnet, daß er einen sechsten Sinn dafür entwickelt hatte. Madan griff zu dem ockerfarbenen Seidencape, das er für die Frau von Alok Nath, dem Goldschmied, geschneidert hatte, warf es sich um und zog die Tür auf. Der Mann, der in der ältesten illegalen Spielhölle von Rampur gehört hatte, daß in dem großen Haus eine bankrotte Engländerin mit ihrem dementen Vater wohnte und daß die beiden dringend Geld benötigten, hatte sich etwas völlig anderes vorgestellt. Vor ihm stand ein indischer Adeliger, der Autorität ausstrahlte und, wie man an seiner Kleidung sah, offenkundig sehr vermögend war.
    »Ich, äh …« stotterte der Mann, der Lose einer nicht existenten Lotterie hatte verkaufen wollen, bei der am Ende des Monats angeblich eine Million zu gewinnen war. Er spürte gleich, daß er mit seiner Geschichte bei diesem Mann nicht landen konnte, und dachte hektisch nach. Als erstes kam ihm in den Sinn, zu behaupten, er verkaufe Lose zur Unterstützung des Tierschutzes, doch ihm war sofort klar, daß der Mann, der vor ihm stand, zweifellos sein Leben lang auf die Jagd gegangen war. Dann kam ihm die Idee, dem Mann weiszumachen, der Ertrag der Lotterie sei für die Missionarinnen der Nächstenliebe von Mutter Theresa bstimmt; dieser Trick hatte bisher zwar immer funktioniert, aber nun kamen ihm doch Zweifel – der Mann wirkte so mächtig. Weil er sich ziemlich sicher war, daß er auch mit Lotto auf Granit stoßen würde, wußte er plötzlich nicht mehr, was er sagen sollte. Er hatte außer einem Heftchen mit Losen und einem gefälschten Ausweis nichts dabei. So zu tun, als suche er Arbeit, wollte er auch nicht; er hatte es manchmal gemacht, als er noch jünger war, wollte aber nicht das Risiko eingehen, etwas tun zu müssen, was ihm gegen den Strich ging. Also stellte er die Frage, mit der er als Kind oft in Häuser eingedrungen war, um einen Wertgegenstand mitgehen zu lassen: »Haben Sie vielleicht ein Glas Wasser für mich?«
    Madan drehte sich um, das Cape schwang um seine Schultern, und er griff zu dem Krug, den er am Morgen unter Hemas wachsamem Blick in der Küche gefüllt hatte. Er schenkte ein Glas ein und reichte es dem Mann, der immer nervöser wurde in der Gegenwart des gutaussehenden, schweigsamen Adeligen. Sylvester Ferrao, der eigentlich anders hieß, trank das Glas in einem Zug aus, bedankte sich lächelnd und sagte, dann werde er mal wieder gehen. Madan begleitete ihn zur Tür, öffnete sie und ließ den Mann hinaus. Er nahm das Cape von den Schultern und war schon wieder im Klavierzimmer, als die Tür des Salons aufging.
     
    Hema und Charlotte hatten in rasendem Tempo den Perserteppich ausgerollt. Sie waren verschwitzt, bei diesen Temperaturen wurde es immer mühsamer, den Teppich hinzulegen. Der treue Butler sah sich verwundert in der Halle um und fragte sich, wo der Professor geblieben war. Er hatte der Memsahib erklärt, daß ein bedeutender Mann da sei, der – er hatte nach den richtigen Worten suchen müssen – vielleicht etwas zur Verbesserung der Lage beitragen könne. Er war sich nämlich sicher, daß dieser Herr mit der auffälligen Sonnenbrille ihnen Glück bringen würde. In dem Horoskop, das ihm der Butler der Nachbarn vorgelesen hatte, stand geschrieben, Reichtum stehe vor der Tür. Er hatte darum gebeten, das Horoskop herausreißen und Charlotte Memsahib zeigen zu dürfen, aber der Hausherr hatte die Zeitung noch nicht gelesen, und der Butler durfte sie deshalb nicht beschädigen.
    Madan wollte die Tür des Klavierzimmers schließen, als Hema rief: »Wo ist denn der Professor?« Madan zeigte auf die Haustür.
    »Schon wieder weg?« Hema, der beim Einatmen des Staubs gehofft hatte, den Perser zum letzten Mal ausrollen zu müssen, war sich auf einmal sicher, daß der Schneider den reichen Professor verjagt hatte. Er eilte zur Tür und sah den Professor mit großen Schritten den Pfad zur Straße hinunterlaufen. Er wollte rufen, er solle zurückkommen, Memsahib wolle ihn empfangen, sie

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