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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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sie hörte das surrende Geräusch der Nähmaschine im Haus. Sie öffnete das Kuvert und zog die Einladung heraus. Das goldene, leere Papier glänzte in der Sonne. Nichts stand darauf geschrieben. Sie drehte den Bogen um. Für einen Moment meinte sie, daß auch auf der Rückseite nichts stünde, dann sah sie die winzig kleinen Buchstaben am unteren Rand. Dort stand:
     
    TU ES NICHT
     
    Die Hitze machte selbst das Sitzen auf dem Sofa zu einer Qual. Der Traum, aus dem sie aufgewacht war, wollte ihr nicht aus dem Kopf gehen. Immer wieder sah sie den Maharadscha auf seinem Pferd vor sich. Sie hatte seit Jahren nicht mehr an seine Tochter Chutki gedacht. Das letzte Mal, als sie sich voneinander verabschiedet hatten, war alles schiefgelaufen, und eine Einladung zur Hochzeit, die ein paar Monate später stattfinden sollte, hatten sie auch nie erhalten. Damals hatte sie sich solche Sorgen um Peter gemacht, der nach der Operation von Chutkis kleinem Bruder kein Wort mehr gesprochen hatte, so daß sie auch dann, wenn sie eingeladen worden wären, nicht zu der Hochzeit hätte gehen können.
    Sie hörte Hema heranschlurfen und an die Tür klopfen.
    »Herein.«
    Hema trug ein Tablett mit einer Tasse Tee und eine Schale mit Keksen.
    »Nimm die Kekse gleich wieder mit.«
    »Das sind aber sehr leckere Kekse, Memsahib.«
    »Ich will keinen Keks.«
    Hema wußte, daß sie früher gern Kekse zum Tee gegessen hatte und daß der General sogar Witze darüber machte – es sei das einzige, was sie von ihrer Mutter geerbt habe. Hema hatte die Frau des Generals nicht gekannt, aber wußte von einem alten Chauffeur, der für einen hohen Beamten in Rampur arbeitete, daß sie genauso schön gewesen war wie Charlotte. Hema fand die Memsahib viel zu mager, also stellte er die Schale mit den Keksen auf den Tisch, als hätte er es nicht gehört. »Sagt der Mann im Radio was von Regen?« fragte er, denn Hema hatte noch ganz andere Sorgen als den Appetitmangel seiner Chefin. Er mußte nun für vier Personen kochen und für drei waschen, und seit kein Wasser mehr aus dem Hahn kam und die Badewannen sich langsam leerten, würde er bald Wasser bei einem Straßenhändler kaufen müssen. Daß sie für ihr wichtigstes Lebensmittel demnächst von gewieften Schacherern abhängig sein würden, die nur auf Wucherprofite aus waren, war seiner Ansicht nach die Schuld der Beamten, die das Problem nicht vorhergesehen und deshalb keine zusätzlichen Wasservorräte angelegt hatten.
    »Der Sprecher bei der BBC sagt, daß der Monsun kommt, aber Radio Rampur ist davon überzeugt, daß es in den nächsten Tagen trocken bleibt und noch heißer wird.«
    »Wieviel Wasser haben wir noch?«
    »Die Wanne bei General Sahib ist fast leer, die im Gästezimmer halb voll, und der Bottich in der Küche ist leer.«
    »Wie lange kommen wir damit noch aus?«
    »Der Darsi muß mehr bezahlen, weil so viele Damen zum Anprobieren kommen.« Obwohl er genau wußte, daß die Damen auch erschienen, um das leere Haus zu sehen, fand er, es sei ausschließlich die Schuld des Schneiders, daß das Wasser so schnell verbraucht wurde. Daß der General zweimal am Tag von Kopf bis Fuß mit einem Waschlappen und grüner Seife gewaschen wurde, zählte er nicht mit.
    »Wie sind die Preise für Trinkwasser?« fragte Charlotte. Sie stellte gleich umfangreiche Berechnungen im Kopf an und beschloß, daß sie nun endlich ihren Vater davon überzeugen mußte, die Erklärung zu unterschreiben, damit sie das Haus, die Nebengebäude und den Hügel verkaufen konnte.
    Bevor Hema auf eine Frage antworten konnte, auf die er keine Antwort wußte, klingelte jemand an der Tür. Er schlurfte hin und dachte dabei auch an Preise, Summen und ans Feilschen.
     
    Draußen im grellen Sonnenlicht stand ein junger Mann mit straff zurückgekämmtem Haar und einer verspiegelten Sonnenbrille, an seinem Handgelenk glitzerten Steine, die wie Diamanten aussahen. »Guten Morgen«, sagte er mit einer melodiösen Stimme, »ich möchte zu Mrs. Bridgwater.«
    »Wen darf ich anmelden?«
    »Sylvester Ferrao, Sohn von Professor Doktor Bernardo Ferrao aus Goa.«
    Hema, der den Mann noch nie gesehen hatte, aber von den Titeln und der verspiegelten Sonnenbrille schwer beeindruckt war, begriff plötzlich die Prophezeiung in der Zeitung, ließ den Fremden ein und ging wieder in den Salon, um rasch den großen Teppich auszurollen, bevor der bedeutende Herr eintreten konnte.
     
    Die Tür zum Klavierzimmer war nur angelehnt, damit das kleine bißchen

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