Warum auch nette Männer nicht zum Frühstück bleiben (German Edition)
Standesregeln, nestelt dabei pausenlos an ihrer Brille herum, was mich ablenkt und neuerlich träumen lässt. Ein Satz rüttelt mich wieder auf: »Wenn Sie mich noch einmal im Internet anschreiben, Herr Andersson, muss ich das Mandat niederlegen.«
Ich antworte: »Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen diese drei Mails geschrieben habe, aber ich habe mich bereits entschuldigt!«
Sie stutzt und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an: »Waren das nicht eher vier Mails?«
Ich lächele sie an und sage: »Ich finde dieses Internetdating ja auch spannend, aber sollten wir uns jetzt nicht doch wieder mit meinem Fall beschäftigen?«
Sie nimmt die Akte und wir machen komplizierte Zugewinnausgleichs-Berechnungen, Versorgungsausgleichs-Berechnungen und setzen das Schreiben zur Kündigung der Unterhaltsvereinbarung auf. Es gibt im Scheidungsfall Andersson gegen Andersson wirklich eine Menge zu tun.
Nach ein paar Tagen schreibe ich ihr wieder und firmiere diesmal unter dem schönen Nicknamen Lasse_das, was ja nicht ganz und gar gelogen ist.
Die misstrauische Antwort heißt: »Herr Andersson?«
Ich antworte: »Der mit den Märchen?«
Hannah scheint verwirrt, aber neugierig. Es beginnt ein zurückhaltender, von ihrer Seite zunächst recht knapp und kühl geführter Dialog, der in den nächsten Tagen an Fahrt und Wärme gewinnt, schließlich bin ich gerade schriftlich durchaus in der Lage, mich als faszinierender Mann zu geben. Sie fragt mich wiederholt nach meinem Namen, ein jedes Mal antworte ich: »Du bekommst zu viel Post von zu vielen Männern, das ist nicht gut für dich, guck mal da oben, das ist mein Nick, und in meinem Personalausweis steht der Vorname Lasse, ganz, ganz großes Indianerehrenwort.«
Es ergibt sich eine wahrhaft hochinteressante Konstellation: Wenn wir in der Kanzlei über die Scheidung reden, lasse ich mir nichts, aber auch wirklich nichts anmerken, ich gebe mich kühl und geschäftlich. Wenn sie Andeutungen macht, reagiere ich erstaunt.
Im Internet entwickelt sich ein spannender Flirt zwischen Lasse und Hannah, denn ohne die Graue-Maus-Verkleidung ist Hannah eine herzliche, witzige, intelligente und überaus feinsinnige Flirtpartnerin.
Wenn ich morgens im Büro die Kiste hochfahre, ist das Erste, was ich prüfe, ob ich nachts noch eine Nachricht von Hannah bekommen habe. Es kribbelt wie verrückt, scheiß auf alle Vorsätze und die Ersatzbank, außer mit ihr schreibe ich mit keiner anderen Frau. Und diesmal ist es ja kein Internetblödsinn, schließlich weiß ich, wie sie aussieht, spricht, sich die Brille zurechtrückt, den Rock sittsam nach unten streicht, und sogar, wie sie riecht, denn wenn wir ihren kleinen Konferenzraum verlassen, halte ich ihr stets die Tür auf und richte es so ein, dass ich den Raum nur Zentimeter nach ihr verlasse und mich frage, was für ein Parfüm sie da wohl trägt.
Ich denke hin, ich denke her, am Ende steht die Erkenntnis, dass ich zwar eine Anwältin brauche, aber noch weit dringender die Zuneigung einer Frau. Also entschließe ich mich zum Outing. Und so schreibt ihr Lasse nach etwa zwei Wochen hocherfreulicher Flirterei: »Liebe Hannah, ich brauche erneut einen anwaltlichen Rat. Angenommen, du müsstest ein Mandat niederlegen, weil du gegen die Standesregeln verstößt, könnte dann dein Papa den Fall übernehmen und würdest du sehr viel Geld verlieren, oder hielte sich das in überschaubaren Grenzen?«
Als Antwort bekomme ich zwei Tage später ein förmliches anwaltliches Schreiben. »Sehr geehrter Herr Andersson, es gibt Gründe, die es ratsam erscheinen lassen, mein Mandat in Ihrer Sache niederzulegen. Weil mir Ihr Fall jedoch wichtig ist, habe ich mit unserem Seniorpartner gesprochen und ihm geschildert, welche persönlichen Gründe vorliegen, er würde Ihren Fall übernehmen, falls Sie ihm das Mandat antragen.«
In meinem Nachrichteneingang auf der Singlebörse finde ich vier kurze Botschaften:
»Du Lump!«
»Weißt du eigentlich, dass du mein erster Mandant in Familienrecht warst?«
»Freitagabend, 20 Uhr, Portugiesenviertel, das ›Lissabon‹, und ich weiß auch, wer bezahlt!«
»Und setz besser einen Helm auf, ich bin sooooo sauer auf dich!«
Ich erwarte Hannah im »Lissabon«, allerdings muss sie mich erst finden, denn ich sitze hinter einem gewaltigen Strauß Rosen. Hannah sieht unendlich geil aus, die Haare trägt sie offen, die Brille ist verschwunden und zur Begrüßung sage ich hinter der Deckung meiner Rosen: »Frau Anwältin,
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