Warum auch nette Männer nicht zum Frühstück bleiben (German Edition)
Hier und Jetzt, das aus einem kleinen, grünen Borstenviech besteht, welches sich langsam und undankbar in das Blattwerk des Busches verkrümelt. Während ich am Wegesrand hocke, überkommt mich ein überwältigendes Gefühl von Zuneigung, gleichzeitig weiß ich, dass ich, wenn ich hier noch länger in der Hocke bleibe, bald gar kein Blut mehr in den Oberschenkeln haben und umkippen werde, also rappele ich mich auf. Dann sage ich mit belegter Stimme: »Danke!«, und sie scheint sich nicht zu wundern, warum ich das tue, sondern quittiert es mit einem zufriedenen Lächeln, so als wären wir beiden schon ewig auf diesem Planeten unterwegs und würden jeden Tag dessen Geschöpfe retten.
Die Konferenz ist bis auf Lehmann jetzt zur Gänze barfüßig und endet unter vergnügtem Geschnatter aller Anwesenden auf einem Anleger des Alsterufers, wo ich Lehmann auf Kosten der Agentur die Drinks bezahlen lasse. In einem kleinen Winkel meines Gehirns frage ich mich, was passieren würde, wenn ich beim nächsten Mal die Hosen herunterlasse, ob es dann alle meine jungen Mitarbeiter nachtun würden, und dieser Gedanke irritiert mich so sehr, dass ich den Pixelpunk und Laura freundlich verabschiede, die Versammlung in der Obhut des verzweifelten Lehmann lasse und mir ein Ruderboot ausleihe, mit dem ich die Konferenz auf dem Wasserweg verlasse.
Auf der Mitte der Alster halte ich inne, betrachte die Segelboote und frage mich, was mit mir los ist. Doch kein Cowboy antwortet, er hat vorhin auf der Wiese ein verbiestertes »Und jetzt retten wir auch noch beschissene Raupenviecher« gemurrt, ist in den Sattel gestiegen und hat sich, wie ich bald feststellen werde, für lange Zeit vom Acker gemacht.
Eine Dreiviertelmillion
Am nächsten Tag lasse ich mir von Lehmann das Konzept der Pixelpunker erklären. Klingt irgendwie gut. Ein großes Portal, scheißegal, was, beispielsweise der Internetauftritt einer Zeitung oder eines Fernsehsenders, hat Millionen User, die durch die Auswahl der Artikel oder Filme verraten, was sie wollen, was sie mögen, was sie interessiert, und nicht zuletzt, wer sie sind. Das Portal haut den Leuten im Gegenzug etwas auf die Festplatte, was sich Cookie nennt. Dieser kleine Kuchen verrät beim nächsten Mal, was der Typ bei uns wollte, und wir bespielen ihn aus unseren Datenbanken mit passender Werbung. Hat sich der geneigte Kunde einen Artikel über Kinderkrankheiten angeschaut, knallen wir ihm die Werbung von Toys«R”Us rein, hat er den Fahrbericht vom neuen Benz gelesen, kriegt er Leasingangebote, hat er sich die Titten von Pamela Anderson angeguckt, drehen wir ihm ein Playboy -Abo oder Schlimmeres an. Und selbst wenn er sich die Bilder von der Berliner Gay-Pride-Parade anschaut, könnten wir ihn noch versorgen, weil wir dann einfach mal annehmen, dass er bisweilen Verwendung für Gleitcreme oder praktische Intimrasierer hat. Qualifizierte Werbung wird sich das wenige Jahre später nennen und ein Konzern wie Google damit Milliarden verdienen, wenn auch mit einem wesentlich ausgefeilteren Konzept. Aber Google residiert noch weit in der Zukunft, und zunächst liegt diese irgendwie einleuchtende Idee neben meinen Füßen und zwischen Lehmann und mir auf dem Tisch des Konferenzraumes.
»Lehmann, mal ganz im Ernst, das ist so einfach, da ist doch ein Haken dran?«, frage ich.
Lehmann verliert sich in einer undurchschaubaren Erklärung über datenbankbasierten Content, datenbankbasierte Werbung, unerklärliche Schnittstellen und gigantische Datenmengen, für die kein Mensch bezahlbare Serverkapazitäten habe und die die Übertragungsgeschwindigkeiten des Internets um Längen überfordern würden. Da ich das nur im Ansatz begreife, bohre ich an anderer Stelle nach. »Ist das legal mit diesem Cookie oder wie das heißt?«
Lehmann nickt.
»Aber warum macht das noch keiner?«
»Machen alle, um die Reload-Prozesse zu optimieren, die Inhalte werden dann nicht aus dem Internet, sondern dem lokalen Arbeitsspeicher abgerufen. Benutzt aber noch keiner für Werbung, soweit ich weiß!«
»Aha«, denke ich mir, »das werde ich in 100 Jahren nicht begreifen.«
Lehmann fängt an, Zahlen auf seinem Notizblock zu kritzeln, und ich frage: »Teuer?«
Er kaut nickend auf seinem Kuli und gibt zu bedenken: »Wir sind kein Internetprovider, kein Nachrichtenportal und kein Fernsehsender, das können wir doch gar nicht, vielleicht ist das auch nichts als eine gute Idee beim falschen Kunden. Vielleicht müssen die sich einfach jemand
Weitere Kostenlose Bücher