Warum auch nette Männer nicht zum Frühstück bleiben (German Edition)
nicht mal hässlich und ohne jeden Zweifel sehr nett, aber eigentlich bin ich hauptsächlich neugierig. Sie ist mir in unserer Singlebörse wochenlang nicht von der Pelle gerückt. Sobald ich in irgendeinem Forum einen Kommentar abließ, kommentierte sie diesen, sobald meine Onlineanzeige auf Grün schaltete, bekam ich lustige, kleine, flirtige Mails, die ich manchmal auch mit lustigen, kurzen, aber nicht ganz so flirtigen Antworten bedachte. Heute Morgen allerdings bekam ich eine Art Liebesbrief von ihr, und ich beschloss, nett, aufrichtig und wahrhaft zu sein. »Liebe Yvonne«, schrieb ich, »ich finde dich total nett, das weißt du ja, aber ich glaube, dass du das Ganze hier etwas ernster siehst als ich. Ich denke nicht, dass aus uns beiden etwas werden kann.«
Ihre Antwort war zugegeben niedlich. »Und es gibt nichts, was ich tun kann, um das zu ändern?«
Meine Replik sollte ein kleiner, heiterer, tröstender Joke sein: »Es gibt immer einen Ausweg im Leben«, schrieb ich, »es ist halb eins, ich sitze im Büro, wenn du heute um 20 Uhr am Hamburger Hauptbahnhof bist, erkläre ich mich feierlich bereit, dich zu vögeln.« Dabei muss man wissen, dass Yvonne in Jena wohnt, zwei Kinder hat, einen Job und einen Exmann. Ich habe wirklich mit allem gerechnet, aber doch nicht damit: »Bleib online! Ich melde mich gleich.« Zehn Minuten später: »Mein Ex holt die Kleinen aus dem Kindergarten und behält sie über Nacht, ich hab ein Ticket gebucht, um 20.08 Uhr bin ich da.«
Ich schrieb: »Halt!«
Das hier läuft aus dem Ruder, dachte ich, während ihre nächste Antwort blinkte. »Bitte, bitte, sag jetzt nicht ab, du hast es versprochen.«
Mein Gott, ja, warum nicht? Das ist ja immerhin nicht uninteressant, das Ganze. Macht die wirklich ALLES mit? Also schrieb ich mit mannhaften Tastaturanschlägen: »20.08 Uhr ist nicht 20 Uhr, so wird das nichts mit uns beiden.« Ihre Antwort fiel neuerlich überraschend aus. »Du machst mich wahnsinnig, dann muss ich früher von der Arbeit los. Aber ich versuche es.«
Ich tippte: »Aber ich will, dass du einen kurzen Rock, Strümpfe und Strapse trägst.«
Ihre Antwort gehört für ewig zu meiner kleinen, intimen Legendensammlung der digitalen Missverständnisse zwischen Mann und Frau. »Ja, das werde ich. Aber jetzt muss ich off gehen, wenn du erlaubst, sonst schaffe ich das alles nicht, Meister!«
Meister?
Langsam, aber auch wirklich nur ganz langsam dämmerte mir, was mich da erwarten würde. Verdammte Kiste, Yvonne ist eine von diesen BDSM-Tanten, die kettenklirrend durchs Internet rasseln und die mich bisher nicht sonderlich interessiert haben. Und mein zwischen gelegentlichem Wortwitz und tagelangem Desinteresse schwankendes Verhalten hielt sie für den Teil eines Rituals, mit dem ich meine Dominanz über sie beweisen wollte. Ich beschloss, die Zeit zum Googeln zu nutzen, um mich wenigstens grundsätzlich kundig zu machen, was heute noch von mir erwartet werden würde.
Und jetzt sitze ich hier, im Fischereihafenrestaurant, und lasse Yvonne reden. Allemal besser, als mich als Hochstapler zu outen. »Ich will«, befehle ich mit fester Stimme, »dass du mir von deinem letzten Dom erzählst. Von deinem besten Dom und von der geilsten Session deines Lebens. Außerdem will ich wissen, ob du eher BD oder SM bist.« All diese Begriffe habe ich im segensreichen Internet gefunden, und es wäre ja gelacht, wenn sich das nicht hinbasteln ließe.
Yvonne schlägt die Augen nieder und erzählt mir von höchst befremdlichen sexuellen Welten. Wie schwer es ist, einen Dom zu finden, der ihre Gefühle respektiert, wie sehr sie sich nach der richtigen Mischung aus Zärtlichkeit und Dominanz sehnt. Dass sie lieber gebunden und gedemütigt wird, aber auch Schmerzen im richtigen Moment zu schätzen weiß, aber dass die meisten Typen hirnlose Sados sind, die das Ganze als eine Art Heimwerkeraufgabe mit Werkzeugkoffer voller Peitschen, Klammern und Paddel missverstehen.
Nun gut, es gibt Stellen, an denen ich gerne mal nachhaken würde, zum Beispiel, ob wir gleich noch an der Alster vorbeimüssen, um ein Paddel zu stehlen, und was wir dann damit anfangen werden. Doch ich schweige interessiert und lasse mich aufklären, dass sie komplizierte Stoppworte manchmal vergisst und wie furchtbar es dann wird und dass sie deshalb als immer und ewig gültiges Stoppwort »Rüdiger« auserkoren hat. Ich versuche, meine Überraschung zu verbergen, denn es ist der Name ihres Exmannes, und wann immer sie beim
Weitere Kostenlose Bücher