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Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Titel: Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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richtige Antwort. Des weiteren bekam er eine Liste mit sieben verschiedenen Monaten aus unterschiedlichen Jahren vorgelegt, verbunden mit der Frage, welcher Monat nicht in die Liste paßte. Ohne Zögern zeigte er auf den einzigen Monat, der nicht mit einem Freitag begann. Auch die Fehler in seinen Antworten wiesen in Richtung einer visuellen Darstellung. Wenn er den verkehrten Tag für - sagen wir, den 21. März 1931 - angab, waren andere Antworten aus demselben Monat meistens auch falsch. Offensichtlich hatte er dann eine nicht zu diesem Monat passende Vorstellung vor Augen. Eine letzte Bestätigung war noch, daß Dave erst nach langem Nachdenken entdeckte, daß manche Daten - wie der 31. September - gar nicht existieren. Für denjenigen, der mit einer visuellen Ordnung arbeitet, ist der Wechsel zwischen 30 und 31 Tagen nicht von Bedeutung, für den, der rechnet, ist der Unterschied gerade entscheidend.
    Der Reiz der Hypothese von Howe und Smith liegt darin, daß sie die Vorteile der beiden anderen Hypothesen - rechnen und auswendig lernen - in sich vereinigt. Dave scheint mit Bildern zu rechnen, und in den Begriffen der Informationsverarbeitung bedeutet das eine enorme Vereinfachung. Da jeder Monat mit einem der sieben Tage beginnt, gibt es nur sieben mögliche Konfigurationen von Tagen und Daten. Wer weiß, auf welchen Tag der erste des Monats fällt, kennt auch den Rest des Monats. Außerdem wiederholt sich der gesamte Block in einem Zyklus von 28 Jahren. Wer über die Information in diesem Block als visuelles Bild verfügt, kann in sehr kurzer Zeit verzwickte Datumsfragen beantworten. Zum Rechnen sind ein paar Sekunden extrem kurz, für das Aufrufen eines Erinnerungsbildes ist das eine sehr natürliche Zeitspanne. Daves Leistungen werden mit dieser Hypothese ein wenig verständlicher.

Das graphische Gedächtnis von Stephen Wiltshire
    Auch Stephen Wiltshire ist Autist. Er kann kaum lesen oder schreiben. Vom Verstand her ist er nicht älter als sechs oder sieben Jahre. Konversationen überläßt er Erwachsenen, selbst mit seiner Schwester spricht er kaum. Ein Gespräch mit ihm hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn es sich behutsam innerhalb der Grenzen seiner Interessen bewegt: amerikanische Autos, Erdbeben und der Film Rain Man. Hinter seinem Interesse für Erdbeben versteckt sich eine Obsession für eingestürzte Gebäude. An seinem Wohnort London kann Stephen tagelang wie gebannt bei Abrißarbeiten zusehen. Von einem Besuch der Domkirche in Utrecht hat er nur behalten, daß das Mittelschiff vor einigen Jahrhunderten von einem Sturm verwüstet wurde und seither aus zwei gesonderten Teilen besteht.
    Außer autistisch und schwachbegabt ist Stephen auch ein Sa-vant: er zeichnet bereits seit früher Jugend Städte und Gebäude
    mit einer Routine, die sich talentierte Zeichner erst nach Jahren aneignen. Es ist vor allem verblüffend, wie gut er die Perspektive beherrscht. Nachdem ihm die BBC 1987 eine Dokumentation widmete, sind verschiedene Bücher mit seinen Zeichnungen erschienen. Für Floating cities zeichnete er in Venedig, Amsterdam, Leningrad und Moskau. Amsterdam war schöner als Venedig: »Dort gibt es Autos.«

    Stephen zeichnet schnell und treffsicher, mit einem natürlichen Gefühl für Verhältnisse. Für eine Zeichnung
    Zeichnung der Westerkcrk in wie die von der Westerkerk in Amster- Amsterdam von Stephen Wiltshire dam braucht er weniger als zwei Stunden. Er zeichnet aus der freien Hand, ohne erst Hilfslinien zu ziehen, ohne Lineal, ohne Fluchtpunkt. Für denjenigen, der ihn zeichnen sieht, ist die Assoziation mit einer computergesteuerten Zeichenmaschine, einem >plotter<, unwiderstehlich. Es gibt kein einziges Zögern in seinen Bewegungen, aber auch kein Überlegen, er hält das Papier nicht ab und zu auf Abstand, um die Verhältnisse überblicken zu können, alle Teile der Zeichnung werden gleich schnell und genau fertiggestellt. Das Brummen und Rattern, das er während des Zeichnens von sich gibt, verstärkt die Assoziation noch: wenn er nicht ab und zu auch ein bißchen vor sich hin summen würde, könnte man glauben, neben dem Drucker eines graphischen Computers zu sitzen.
    Aber in seinen Zeichnungen sind auch die Grenzen seines Talents zu sehen. Was fehlt, ist so etwas wie eine Interpretation, eine Atmosphäre. Manche Gebäude wurden an einem strahlenden Frühlingsmorgen gezeichnet, andere an einem Herbstmittag; auf den Zeichnungen ist nichts davon zu entdecken. Man sieht kein Licht, keinen

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