Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung
Buxton wurde 1702 im englischen Elmton geboren. Sein Vater war Schulmeister und sein Großvater Pfarrer, selbst hat er nie lesen oder schreiben gelernt. Buxton wurde Landarbeiter. Einer Lebensbeschreibung zufolge, die 1754 im Gentleman's Magazine erschien, fristete er ein Leben zwischen Alltagstrott und Armut, eine Existenz, »in der die Geschichte eines einzigen Tages die Ereignisse aller Tage enthielt«. Buxton war eine lokale Berühmtheit wegen seines absonderlichen Talents für Kopfrechnen. Dieselbe Lebensbeschreibung behauptete, das sei auch die Erklärung für seinen Analphabetismus: »Seine unendliche Hingabe für Ziffern stand dem auch nur geringsten Erwerb anderer Kenntnisse im Weg, und sein Geist enthielt weniger Wissen als der eines Zehnjährigen.«
Das Kopfrechentalent dieser schlichten Seele war tatsächlich verblüffend. Buxton glänzte vor allem bei Aufgaben mit räumlichen Verhältnissen wie Oberflächen- und Inhaltsberechnungen. Für manche Aufgaben mußten drei Zahlen mit jeweils acht Ziffern multipliziert werden, wonach Buxton die 27 Ziffern der Antwort, falls gewünscht, auch rückwärts aufsagen konnte. 1751 hatte ein Korrespondent von Gentleman's Magazine Buxton aufgesucht, um ihm eine Reihe von Aufgaben vorzulegen. Auf die Frage, wie viele Umdrehungen ein Kutschrad mit einem Umfang von sechs Yards während der Fahrt von 204 Meilen zwischen York und London macht, folgte nach 13 Minuten die richtige Antwort: 59.840 Umdrehungen. Eine andere Frage - »Wenn drei Gerstenkörner zusammen einen Inch lang sind, wie viele Gerstenkörner braucht man dann für eine Reihe von acht Meilen Länge?« - wurde in weniger als elf Minuten beantwortet: 1.520.640 Gerstenkörner. Buxtons größte Leistung war das Quadrieren eines Geldbetrags von 39 (!) Ziffern. Die Berechnung - der Ordnung halber: im Kopf - nahm mehr als zwei Monate in Beschlag. In einem Bericht aus dem Jahre 1751 steht das Ergebnis: eine Zahl aus 78 Ziffern. Der Verfasser fügte hinzu, daß jemand mit viel freier Zeit und Neugier es einmal nachrechnen solle. Kein einziger Zeitgenosse hat sich darangewagt. Eine Überprüfung mit dem Computer hat inzwischen bewiesen, daß Buxtons Antwort bis auf eine einzige Ziffer korrekt war.
Das Rechenwunder Jedediah Buxton (1702-1772)
Buxton hatte so wenig gelernt oder behalten, daß er weniger wußte als ein Zehnjähriger. Aber für die wenigen gesonderten Dinge, die ihn interessierten, funktionierte sein Gedächtnis ausgezeichnet. So führte er ein inneres Register aller Freibiere, die ihm angeboten wurden. Auf dieser Liste, die er 1753 aufstellte, sind rund sechzig Personen aufgeführt, häufig Landadel, aber auch Honoratioren wie der Bürgermeister und der Pastor. Schon allein der Duke of Kingston stand für 2.130 Gläser. Außer den Bierpinten konnten sonst nur die Abenteuer der königlichen Familie seine Aufmerksamkeit von den Ziffern ablenken. Im Frühjahr 1754 lief Buxton die 150 Meilen von seinem Wohnort nach London, in der Hoffnung, einen Blick auf den König werfen zu können. Leider verbrachte der gerade seinen Urlaub in Kensing-ton. Aber da Buxton nun schon einmal in London war, nutzte man die Gelegenheit und ließ ihn vor der Royal Society auftreten. Welch zwanghafte Aktivität das Rechnen für Buxton war, zeigte sich an dem, was nach dem Auftritt geschah. Man hatte ihn zu einer Vorstellung von Richard III. mitgenommen. Als ihn anschließend jemand fragte, wie ihm die Vorstellung gefallen habe, hatte er offensichtlich inhaltlich nichts verstanden. Aber er wußte, wie viele Worte der Schauspieler in der Hauptrolle gesprochen hatte.
Das suggeriert, daß Buxton über ein gutes Gedächtnis für Zahlen verfügte. Aber der Mathematiker Steven Smith argumentiert in seinem Standardwerk über Kopfrechner, daß die Erklärung eines angeborenen überlegenen Gedächtnisses für Zahlen eine Verwechslung von Ursache und Wirkung ist. Es ist das Interesse für Ziffern, das dafür sorgt, daß sie diese so gut behalten können, nicht umgekehrt. Die Qualität des Gedächtnisses von Rechenwundern, soweit darüber etwas bekannt ist, variiert gerade von durchschnittlich bis ausgesprochen schlecht. Der Lehrer des französischen Rechenwunders Mondeux schrieb 1853, sein Schüler könne nur gut rechnen, aber nicht lernen: »Fakten, Daten und Orte streifen an seinem Hirn entlang wie an einem Spiegel, ohne eine Spur zu hinterlassen.« Als Binet 1894 das Rechenwunder In-audi untersuchte, stellte er fest, daß dieser noch
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