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Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Titel: Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard David Precht
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Experimentierstationen, bei denen man selbst seine Erfahrungen machen kann. Besonders spannend ist dies in der Abteilung » Wahrnehmen und Sehen«. Hier findet man auch Oskars Lieblingsraum, das so genannte » Hexenhaus«. Es besteht aus einem geschlossenen Raum, einer Küche, in der man sich auf eine Bank setzt. Plötzlich fängt das Haus an sich zu drehen. Man sieht, wie sich die Wände bewegen und der Fußboden unter einem verschwindet. Obwohl die Bank, auf der man sitzt, sich nicht mit bewegt, hat man ständig das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen. Oskar amüsiert sich im » Hexenhaus« prächtig, vor allem, weil ich mich darin viel unwohler fühle als er.
    Was die Experimente zum Thema » Wahrnehmen und Sehen« zeigen, ist, dass vieles gar nicht das ist, was es zu sein scheint. Manchmal nämlich vermitteln uns unsere Augen ein Bild von der Welt, das gar nicht mit dem übereinstimmt, was die Forscher sehen. So denkt man zum Beispiel, dass der Himmel blau ist, obwohl das nicht stimmt. Und im » Hexenhaus« glaubt man, die Bank würde nach vorn oder hinten kippen – und auch das stimmt nicht. So wie unsere Aufmerksamkeit immer nur auf einen Teil der Wirklichkeit fällt, so sehen unsere Augen auch immer nur einen Teil der Welt. Und manchmal lassen sie sich dabei täuschen.
    Unsere Gehirne sind nun mal die Gehirne von Affen. Allerdings, zugegeben, von sehr schlauen Affen. Deshalb können wir sehen, hören, riechen und schmecken wie Affen. Wären unsere nächsten Verwandten Haie, so könnten wir alle die vielen elektromagnetischen Strahlungen spüren, von denen wir umgeben sind. Aber das können wir nicht. Wir sehen auch kein ultraviolettes Licht wie viele Vögel. Ein Bär kann kilometerweit riechen. Eine Eule kann aus hundert Metern Höhe eine Maus unter der Schneedecke krabbeln hören. Und eine Schlange kann die Körperwärme eines weit entfernten Tieres spüren. All dies können wir nicht. Und trotzdem gibt es etwas, was Menschen besser können als all die anderen Tiere. Sie können sich nämlich Dinge ausdenken, die es gar nicht gibt. Oder über Dinge nachdenken, die vielleicht in hundert Jahren passieren könnten. Oder über Dinge nachdenken, von denen uns jemand erzählt hat und die vor ganz langer Zeit passiert sind. Wir wissen zwar nicht, wie es ist, ein Flughund zu sein, aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass Flughunde sehr viel weniger Phantasie haben als Menschen. Wahrscheinlich ist der Mensch das Tier mit der größten Vorstellungskraft. Und die wichtigste aller Vorstellungen, die Menschen sich machen, ist das Bild von sich selbst – das » Ich«.
    Aber wie kommt es, dass Menschen sich ein solches Bild von sich selbst machen? Was ist das – ein » Ich«? Im Science Center gibt es gleich nach dem Eintritt zwei große Spiegel, in denen sich das Spiegelbild ständig verzerrt. Wenn der Spiegel sich wölbt, wird der Betrachter entweder klein und dick, oder er bekommt riesige Füße und unendlich lange Arme. Trotzdem erkennen wir uns im Spiegel wieder, selbst dann, wenn wir auf einmal völlig verzerrt aussehen. Wir wissen genau: So sehe ich zwar in Wirklichkeit nicht aus, aber klar: Das bin ich! Ob die anderen Tiere das auch können?
    Seit ungefähr vierzig Jahren machen Forscher mit Tieren den so genannten Spiegeltest. Man setzt ein Tier vor einen Spiegel und versucht herauszufinden, ob es sich selbst erkennt. Sieht ein Hund in einem Spiegel sich selbst – oder sieht er einen fremden Hund? Doch wie kann man das herausfinden, da wir ja nicht wissen, was im Kopf des Hundes vor sich geht?
    Normalerweise benutzen die Forscher dabei einen Trick. Sie malen dem Tier einfach einen roten Punkt auf die Stirn oder auf die Brust. Und dann schaut man, ob das Tier sich an den eigenen roten Punkt fasst oder ob es sich für den roten Punkt im Spiegelbild interessiert. Bei kleinen Menschenkindern findet dieser Wechsel im zweiten Lebensjahr statt. Ein einjähriges Kind kann noch nicht erkennen, dass der rote Punkt an seiner Stirn im eigenen Gesicht ist. Es glaubt, es sieht ein fremdes Kind mit einem roten Punkt auf der Stirn. Es kommt noch nicht auf die Idee, sich an die eigene Stirn zu fassen. Ein zweijähriges Kind dagegen erkennt sich bereits selbst im Spiegel und fasst an den roten Punkt auf der eigenen Stirn. Es versucht dann zum Beispiel den Fleck wegzuwischen.
    Und wie reagieren Tiere? Nun, die allermeisten Tiere erkennen sich nicht. Ein Hund bellt im Spiegelbild einen fremden Hund an, um mit ihm zu spielen oder

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