Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Option, die einen gegen das größte Risiko absichert, einlöst, nennt man das »Hedging« (Kurssicherungsgeschäft).
Aber leider, leider leben wir nicht in dieser freundlichen sanften Welt der plüschigen Häschen. In der wirklichen Welt üben Derivate gerade auf solche Menschen eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, die sich nicht nur sicher sind, sondern superhypersicher, Menschen, deren Gewissheit absoeinissheitluter nicht sein könnte. Gerade unter Finanzexperten ist diese Art von Gewissheit weit verbreitet. Wenn man derart sicher ist, dann erscheint es natürlich sehr verlockend, eine Option zu kaufen, die das Risiko sogar noch erhöht, weil das schließlich auch den Ertrag vervielfacht. Im obigen Beispiel würde man dann keine Verkaufsoption erwerben, mit der man seine Position absichert, sondern eine Kaufoption, die den Ertrag multipliziert. Eine solche Option wäre natürlich sehr viel wert, falls Sie recht haben – Pardon, in dem selbstverständlich sicheren Fall, dass Sie recht haben. Wenn Sie nun richtig liegen und die Kurse sich verdoppeln,ist Ihre Option für 10 000 Euro nun 50 000 Euro wert (50 000 deshalb, weil die Aktien um genau diesen Betrag gestiegen sind). So gesehen wäre es doch viel besser, statt 100 000 Euro in Aktien und einer Kaufoption für 10 000 Euro direkt für 100 000 Euro Kaufoptionen zu erwerben.Das nennt man Leverage (Hebelwirkung). Sie haben nun an Ihre 100 000 Euro einen Hebel angesetzt, um mit ihnen eine »Aktien-Exposure« – was in etwa bedeutet, mit den Aktien einem Risiko ausgesetzt zu sein – im Wert von 1 000 000 Euro zu kaufen. Mit dieser Methode haben Sie nun, wenn der Preisanstieg eintritt, 500 000 Euro verdient, und das allein mit geborgtem Geld. Und da Sie nicht nur zuversichtlich sind, sondern todsicher, lassen Sie die Optionen einfach ganz weg und kaufen stattdessen Futures (Terminkontrakte), denn die sind billiger (weil sie riskanter sind). Sie kosten, sagen wir mal, die Hälfte, also 5000 Euro das Stück, und verpflichten Sie, in einem Jahr 20 Aktien für je 100 000 Euro zu kaufen. Hurra! Sie sind reich! Es sei denn, der Börsenkurs verdoppelt sich nicht, sondern halbiert sich stattdessen. Nun haben Sie eine Verpflichtung am Hals, Aktien im Wert von 2 Millionen Euro zu kaufen, die aber mittlerweile nur noch eine Million wert sind. Sie haben sich also gerade 100 000 Euro geliehen, um mithilfe der geheimnisvollen Kraft moderner Finanzinstrumente eine Million Euro in den Sand zu setzen. Hoppla.
Es kommt Ihnen vielleicht unwahrscheinlich vor, dass es Leute gibt, die etwas so Blödsinniges tun würden, aber tatsächlich geschieht das ständig. Die Liste einzelner Händler, die bei Wetten auf Derivate auf einen Schlag mehr als eine Milliarde Dollar verloren haben, ist lang: Robert Citron aus Orange County, Toshihide Iguchi von der Daiwa Bank, Yasuo Hamanaka von der Sumitomo Corporation, Nick Leeson von der Barings Bank und Jérôme Kerviel von der Société Générale. Das sind Händler, die es jeweils im Alleingang geschafft haben, ihren Arbeitgebern mehr als eine Milliarde Dollar Verlust einzufahren. Hamanaka war lange Zeit das schwärzeste unter all diesen Schafen – im Jahr 1996 verlor er 2,6 Milliarden Dollar durch Kupferspekulationen. Aber 2008 gelang es Jérôme Kerviel, diesen Betrag plötzlich wie Peanuts aussehen zu lassen, als er 7,2 Milliarden Dollar durch Spekulationen auf die europäische Börsenentwicklung verlor. Besonders beachtlich dabei war, dass er, wie sein Arbeitgeber mitteilte, diese Verlusteerst in dem Monat anzuhäufen begann, in dem er auch geschnappt wurde. Olé! Im Fall von Leeson ging es um riesige, unautorisierte Positionen in Futures auf den Nikkei 225 (den wichtigsten Aktienindex Japans). Seine Spekulationen führten 1995 zum Zusammenbruch der Barings Bank. Leeson hatte seine Wetten immer wieder verdoppelt und verdreifacht, in dem Glauben, der Index würde steigen. Die entstandene offene Position – eine riesige Wette mit offenem Ende – versteckte er auf einem geheimen Konto. (Leeson schloss seine große Wette übrigens darauf ab, dass der Nikkei seinen Kurs bei über 19 000 Punkten halten würde. Während ich 17 Jahre später dieses Buch schreibe, steht der Index bei 8630 Punkten – ein Beweis, wenn man einen solchen überhaupt noch braucht, dass die Preise, wenn sie erst einmal sinken, auch sehr lange unten bleiben können.) Der Verlust belief sich am Ende auf 880 Millioe Pf 880 Mnen Pfund und zog die
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