Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
wirtschaftlichen Gefallen, obwohl sich ihr Wert im freien Fall befand. Und schließlich habe ich dank dieser Endowment Mortgage gelernt, nicht allzu viel von dem zu glauben, was mir die Finanzbr sedie Finanche erzählt. (Weil ich zu den ersten Leuten gehörte, die mit dieser Hypothek einen Fehlkauf tätigten, wurden meine Verluste nicht von der Ausgleichsregelung gedeckt, zu der die Banken 1989 viel zu spät und sehr widerstrebend gezwungen wurden.)
Viele Menschen empfinden dieses ewige Auf und Ab, diese Höhenflüge und Talsohlen als eine Art manisch-depressive Achterbahnfahrt. Jede Höhe entspricht einer Blase und jede Tiefe einem Crash und dieses sich immer wiederholende Muster macht den Immobilienmarkt Großbritanniens so einzigartig. Was uns wieder zu der Frage zurückbringt: Warum? Warum sind wir Briten so besessen von unserem Grundbesitz und seinem Wert?
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Auf diese Frage gibt es eine ausführliche und eine kurze Antwort. Die ausführliche Antwort hat mit den grundlegenden strukturellen Eigenheiten des britischen Immobilienmarktes zu tun. In Großbritannien gibt es unendlich viele Menschen mit Wohneigentum: 70 Prozent der gesamten Bevölkerung wohnen im eigenen Haus. Seit den Regierungszeiten von Mrs Thatcher sind diese Zahlen stetig gestiegen, denn die folgenden Regierungen haben ihre Politik der Eigenheimförderung fortgesetzt. Diese Zahl ist wesentlich höher als in vergleichbaren anderen europäischen Volkswirtschaften: In Deutschland beispielsweise besitzen nur 40 Prozent der Bevölkerung ein eigenes Haus. Dieses Phänomen erklärt so einiges.
Da gibt es zum Beispiel die Frage, was das Wort »besitzen« in diesem Zusammenhang eigentlich bedeutet. In der Praxisbesitzen die meisten von uns ihr Eigenheim mithilfe einer Hypothek, was letztendlich bedeutet, dass wir unser Heim eben gerade nicht besitzen. Damals, zu der Zeit, als ich meine erste Wohnung kaufte, bekam man nicht einmal die Eigentumsurkunde ausgehändigt, wenn man eine Hypothek aufgenommen hatte – die behielt nämlich die Bank. Diese Praxis hatte etwas Brutales, aber wenigstens wurde einem dadurch eine Sache glasklar vor Augen geführt: Wenn man eine Hypothek aufgenommen hatte, dann besaß man das eigene Haus nicht. Es lohnt sich, das nicht aus den Augen zu verlieren.
Eine weitere Konsequenz aus dem Abschluss einer Hypothek ist, dass man nun der Sklave einer ganz bestimmten Zahl geworden ist, nämlich des Zinssatzes. Auf dem europäischen Festland interessieren sich allein politische Fachidioten und Banker für die Zinssätze, sonst schert sich niemand darum. In Großbritannien aber hat der Zinssatz so viel Macht, dass er oft genug das Leben der Menschen diktiert. Das ist auch der Hauptgrund, warum das Land nicht der Eurozone beigetreten ist. Die britische Wirtschaft durchläuft Zyklen, die von denen anderer europäischer Ökonomien abweichen, und die Zinssätze haben eine unmittelbare Auswirkung auf die finanziellen Verhältnisse der Bevölkerung. Wären wir dem Euro beigetreten und hätten unsere Hypotheken an die herrlich niedrigen europäischen Zinssätze gebunden, wären die Kredite sogar noch billiger und leichter zu haben gewesen, wodurch es eine noch viel größere Immobilienblase und einen noch viel schrecklicheren Crash gegeben hätte. (Zwei Beispiele von Staaten, in denen genau das geschah: Irland und Spanien.) Die Kreditkrise hat erhebliche Probleme im Betrieb jener Instanz zu Tage gefördert, die den Euro beaufsichtigt, der Europäischen Zentralbank nämlich. Die Handlungsbühne der EZB erstreckt sich über ganz Europa, und deshalb kommt es unvermeidlich unter den Eurostaaten oft zu schweren Interessenskonflikten. Das Spektrum der konkurrierenden Bedürfnisse, mit denen die EZB jonglieren muss, ist sehr weitgefasst; Skeptiker würden sagen, zu weit, um damit fertigzuwerden.Das muss nicht unbedingt stimmen, aber es ist nicht zu leugnen, dass es während einer Krise jedes Mal eine große Herausforderung ist, die europaweiten Zinssätze festzusetzen. Die Bedürfnisse einegenrfnisses Autoherstellers in Düsseldorf, der sich Sorgen um die Inflation der Löhne macht, können unmöglich mit denen eines lettischen Restaurators in Einklang gebracht werden, der Kapital aufnehmen will, oder mit denen eines spanischen Bankiers, dem das überhitzte Wirtschaftswachstum Kopfschmerzen bereitet. In diesem Prozess gibt es unweigerlich immer einen Verlierer. Irland und Spanien brauchten unbedingt einen Anstieg der Zinssätze, um ihre jeweiligen
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