Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Gott, ihr Versprechen eingelöst: Während ihrer Regierungszeit stieg der Anteil britischer Bürger mit Wohneigentum von 54 auf 65 Prozent. Dabei hat sie es sogar geschafft, Oscar Wilde Lügen zu strafen. Der hat nämlich einmal gesagt, die furchteinflößendsten Worte derenglischen Sprache seien: »Ich hatte letzte Nacht einen sehr interessanten Traum.« Das trifft durchaus nicht mehr zu. Die furchteinflößendsten Worte der englischen Sprache sind heute: »Hast du gehört, wie viel die für das Haus unten in der Straße bekommen haben?«
Als die Blase gegen Ende der achtziger Jahre platzte, war das einzig Gute daran, dass endlich Schluss mit all diesem Gerede war. Eine halbe Million Menschen verloren ihre Häuser, was sicherlich furchtbar für sie war, doch konnte man als positiv verbuchen, dass ungefähr 15 Jahre lang niemand mehr über Immobilienpreise sprach. Ich hatte damals einen recht misanthropischen, oder vielleicht sollte man besser sagen: unpatriotischen Gedanken: Einer der Gründe, warum wir Briten es so lieben, über Immobilienpreise zu sprechen, ist möglicherweise der, dass es uns die seltene Gelegenheit verschafft, in einem gesellschaftlich akzeptierten Rahmen damit zu prahlen, wie reich wir sind. Glücklicherweise hört man wesentlich weniger über den Wert eines Hauses, wenn sein Preis gerade in den Keller gefallen ist.
Warum sind wir Briten so besessen von diesem Thema? Wenn man die Sache einmal mit ein wenig Abstand betrachtet, gibt es auf dem britischen Immobilienmarkt nichts, das von besonderem Interesse wäre. Sagen wir, Sie hätten Ihr Haus 1970 gekauft und dafür den damals landesweit durchschnittlichen Preis bezahlt, nämlich 4378 Pfund. Am Scheitelpunkt des heutigen Preishochs wäre dasselbe Durchschnittshaus 184 431 Pfund wert gewesen. Gratuliere! Sie sind reich! REICH! Obwohl, in Wirklichkeit stimmt das so leider nicht. Wenn man die Inflation miteinberechnet, verringern sich diese spektakulären 4,3 Prozent Preisanstieg auf tatsächlich nur noch 2,4 Prozent im Jahr. Das ist fast genauso viel – oder wenig – wie der historische langfristige Durchschnitt für Investitionen, die man als mehr oder minder risikofrei einstuft. Daher kommt im Englischen auch der Ausdruck »safe as houses« – so sicher wie Häuser. Selbst wenn man etwas andere Start- und Zielpunkte wählt, ist das Ergebnis so ziemlich das Gleiche. Für die Zeitzwischen 1973 und 2007 zum Beispiel, als es eine andere Inflationsrate gab und die Immobilienpreise anfangs höher und später etwas niedriger lagen, kommt man am Ende auf ein Ergebnis von 2,6 Prozent Wachstum pro Jahr. Das entspricht mehr oder weniger exakt dem Wirtschaftswachstum Großbritanniens im selben Zeitraum. Mit anderen Worten: Die Immobilienpreise und die Wirtschaft haben genau gleich abgeschnitten. Es gibt also nichts Interessantes dazu zu sagen.
In Wirklichkeit ist das Leben aber nicht ganz so simpel. Gut, aus der historischen Distanz betrachtet ist der Immobilienmarkt ein todsicheres Geschäft, aber auch todlangweilig. Wenn man sich jedoch die Preisentwicklung bei Häusern anschaut, sieht die Sache schon ganz anders aus. In der Übersicht wirkt es so, als gäbe es einen stetigen, vorhersehbaren Zuwachs, aber bei näherem Hinschauen kann man erkennen, dass die Immobilienpreise so schnell rauf- und runtergehen wie ein wild gewordener Fahrstuhl. Als Gordon Brown uns ein Ende des ewigen Aufschwung-Niedergang-Kreislaufs versprach, stellte er damit etwas in Aussicht, das noch nie ein britischer Politiker erreicht hatte. Alle Marktkorrekturen sind übertrieben, sie gehen zu weit nach oben und dann wieder zu weit nach unten, was ihnen genug Schwung verleiht, um beim nächsten Mal erneut viel zu weit nach oben zu sausen. Bei Häusern ist dieses Auf und Ab noch wesentlich schlimmer, aus Gründen, die ich gleich noch näher erläutern werde.
Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe es am eigenen Leib erfahren. Meine erste Wohnung kaufte ich im Herbst 1987. Ich wurde damals dadurch angespornt, dass wirklich alle in meinem Bekanntenkreis ihren letzten Penny zusammenkratzten, um nur ja auch in den Immobilienmarkt einsteigen zu können. Die Gegend, in der ich die Wohnung kaufte, war ziemlich heruntergekommen, direkt gegenüber von King’s Cross Station. Aber ich konnte zu Fuß zu meinem Arbeitsplatz gehen und auch zu fast allen anderen Orten in London, die ich erreichen wollte. Die Wohnung selbst war auch nicht gerade erstklassig, was nicht zuletzt daran lag,
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