Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
konservativen Hang zu verlässlichen eigenen vier Wänden haben. Stattdessen ist es genau umgekehrt. Warum? Nun, vielleicht ist ja genau das der Grund. Dass es genau diese draufgängerischenfreien Marktsysteme sind, in denen die Menschen das größte, geradezu überwältigende Bedürfnis nach einem eigenen Heim verspüren. Je weniger Sicherheit es am Arbeitsplatz gibt, je mehr das übrige Leben der Unsicherheit und dem Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist, desto mehr wollen sich die Menschen wenigstens in ihren eigenen vier Wänden sicher fühlen, zu Beginn und am Ende eines harten Arbeitstages. Großbritannien war das erste Land, das erleben musste, wie viele Umwälzungen der industrielle Alltag nach sich zog und welch tiefe Kluft sich plötzlich zwischen dem industrialisierten Arbeitsplatz und dem Privatleben zu Hause auftat. Die massive Zunahme von Eigenheimkäufen setzte im Vereinigten Königreich in den Jahren nach 1840 ein, als die Auswirkungen der industriellen Revolution so weit um sich gegriffen hatten, dass eine neue Mittelschicht entstand, die auch über die finanziellen Mittel verfügte, sich ein eigenes Haus zu leisten. Weil die Arbeitswelt sich uns entfremdet hatte und existentielle Unsicherheiten schuf, verspürten wir das gesteigerte Bedürfnis, die Wände auch zu besitzen, die uns zu Hause umgaben, uns sicher zu fühlen und frei über unseren Besitz verfügen zu können. Es war eine Art psychischer Ausgleich für die Verluste, die uns die Industrialisierung zugefügt hatte.
Das alles gehört zu den Gründen, warum der britische Immobilienmarkt anders ist. Und es ist die ausführliche Antwort auf die Frage: Warum? Aber die kurze Antwort sieht anders aus. Wenn man sich fragt, warum diese Faktoren sich herausgebildet haben – warum die britischen Hypotheken und daher auch die Märkte sich so von den anderen unterscheiden –, dann kommt man zu folgendem Schluss: Niemand weiß es. Die Investmentprodukte, die es den Menschen in Großbritannien erlauben, sich ein Eigenheim anzuschaffen, sind deshalb anders als in anderen Ländern, weil sie als Antwort auf andere Bedürfnisse entstanden sind: unser zwanghaftes Bedürfnis nämlich, das Haus auch zu besitzen, in dem wir wohnen. Unsere riskanten, langfristig angelegten, innovativen (manchmal enorm leichtsinnigen) Hypotheken wurden geschaffen,um unseren tiefsten Herzenswunsch zu erfüllen: unser eigenes Heim zu besitzen. Der Hunger danach htteger danat die Produkte ins Leben gerufen, und nicht umgekehrt.
***
Ganz allgemein besteht der Unterschied darin, dass in manchen Ländern das Wohneigentum als eine gute, aber durchaus nicht absolut notwendige Sache angesehen wird. Wenn man es sich leisten kann und wenn man es einem Mietverhältnis vorzieht, dann sollte man sich ruhig ein eigenes Haus kaufen. Und falls man es sich nicht leisten kann oder sich zurzeit nicht mit einer langfristigen, stark fremdfinanzierten und hochilliquiden Investition belasten will, auch gut, dann mietet man eben. In anderen Ländern zählt Wohneigentum jedoch unangefochten zu den erstrebenswertesten Gütern. Es steht für Sicherheit, Wohlstand und intensive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Man könnte es dort fast als eine Art Grundrecht bezeichnen, ein eigenes Haus zu besitzen. Daraus folgt natürlich, dass in solchen Ländern eine Politik betrieben wird, die die Anschaffung von Wohneigentum fördert, wo es nur geht. Die USA und Großbritannien zählen definitiv zu dieser Art von Ländern.
Dabei ist es nicht allein und nicht einmal hauptsächlich die politische Linke, der dieses Thema am Herzen liegt. Es wa Margaret Thatcher, die in Großbritannien die Vision einer demokratischen Gesellschaft von Eigenheimbesitzern heraufbeschwor. Mehr alsjeder andere Politiker der heutigen Zeit verwandte sie ihre Energie auf eine Politik, die die Zahl an Wohneigentümern zu erhöhen trachtete. Sie weitete die Steuervorteile bei Hypotheken aus und führte ein neues Gesetz ein, das es den Bewohnern von Sozialwohnungen erlaubte, ihr neues Heim zu erwerben. Natürlich waren diese Ideen stark politisch motiviert, denn man glaubte, dass Wohneigentümer sowohl ideologisch als auch politisch zu einer eher konservativen Haltung neigten. In Amerika war es merkwürdigerweise ausgerechnet Herbert Hoover, der eine staatliche Förderungdes Eigenheimbesitzes propagierte. 16 Später verschrieb er sich einer Form von Konservatismus, wie sie schlafmütziger und selbstgefälliger nicht sein könnte, und deshalb ist
Weitere Kostenlose Bücher