Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Attraktivität einer Hypothekenschuld drastisch und unmittelbar erhöhte. Es gab also bereits neue Formen der Kreditvergabe, die im Rahmen neuer Gesetze von beiden Seiten des politischen Spektrums ins Leben gerufen wurden. Die Regierung Clinton führte diese Richtung fort und fügte der schon eingeschlagenen Linie noch eine starke, wenn auch etwas diffuse Rassendiskriminierungsthematik hinzu. Man sprach damals gern euphemistisch von »vernachlässigten« Gesellschaftsschichten. Um die bis dahin vom Hypothekengeschäft ausgeschlossenen Menschen zusätzlich anzusprechen, führte man weitere Neuerungen ein, wie zum Beispiel die Erlaubnis, Kredite über den Gesamtwert einer Immobilie zu gewähren, so dass keine Anzahlung zu leisten war. Man hinterfragte nun weniger die finanzielle Vergangenheit eines Kreditnehmers, sondern ging davon aus, dass er, weil er ja vormals auch Miete und Nebenkosten gezahlt hatte, den Anforderungen für einen Kredit schon genügen würde. Man erlaubte es potentiellen Kreditnehmern, Saisonarbeit oder Fremdunterstützung als Einnahmequelle anzugeben, und erhöhte die Anzahl der Hypotheken für Personen, die auf staatliche Unterstützung Anspruch hatten. Da Fannie Mae und Freddie Mac in ihrer Struktur scheinbar private, aber in Wirklichkeit staatlic ereit stahe Unternehmen waren, konnte sich die Regierung in diesem Bereich des Hypothekengeschäfts mit Leichtigkeit durchsetzen. Sie waren auch deshalb so erfolgreich, weil die Hypothekengeber in der neuen Kundschaft von Kreditnehmern mit niedrigem Einkommen ein riesiges Wachstumspotential sahen. Natürlich musste man diese Kredite sorgfältig von Fall zu Fall prüfen, und solange man dasauch tat, waren die neuen Hypotheken eine richtig schöne Sache. Der Anteil amerikanischer Eigenheimbesitzer erreichte ein historisches Hoch von 68,9 Prozent, und der Graben zwischen ethnischen Minderheiten und weißer Bevölkerung (beziehungsweise der »nicht hispanischen« weißen Bevölkerung, wie es in den Volkszählungsangaben der USA heißt) schien sich zu schließen. Zwischen 1994 und 2005 stieg der Anteil von Wohneigentümern innerhalb der weißen Bevölkerung um 8,3 Prozent, bei den Afroamerikanern um 13,6 Prozent und bei den Hispanoamerikanern um 20,1 Prozent. Die politischen Maßnahmen zur Eigenheimförderung hatten gegriffen. Die Kreditnehmer brauchten Geld, um Häuser zu kaufen, der Staat wünschte, dass sie dieses Geld bekamen, die Kreditgeber waren darauf aus, Geld zu verdienen, und alle bekamen, was sie wollten.
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Immobilienpreise steigen und fallen. Und auf lange Sicht, so hat uns die Erfahrung gelehrt, ist das Wachstum in diesem Markt nicht größer als im Rest der Wirtschaft, sofern man die Inflation miteinrechnet. Das ergibt durchaus Sinn, wenn man einmal darüber nachdenkt, denn aus welchem Grund sollte der Immobilienmarkt auch schneller wachsen? Das ganze Geschäft, der Hype, das Tamtam und diese riesigen Blasen, die sich um Immobilieninvestitionen drehen – all das ist darauf zurückzuführen, dass man diese banale Wahrheit einfach ignoriert. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht etwa Menschen gibt, die mit Immobilien ein Vermögen verdienen oder verlieren, während der Markt seine Zyklen durchläuft; aber wie gesagt: Auf lange Sicht und in der Summe sprechen die Fakten eine deutliche Sprache. Um langfristig mit Investitionen Geld zu verdienen, sind Aktien, oder, wie man in der Finanzsprache sagt, Divdendenpapiere, immer noch der beste Weg. (Es wird manchmal übersehen, dass Dividenden ein wesentlicher Bestandteil von Aktien sind – jene regelmäßigen Zahlungen, die ein Unternehmen seinen Aktionären zukommenlässt.) Wenn man es mit der Wirkung vergleicht, die eine Geldanlage in Immobilien oder auf der Bank hat, dann liegen die langfristigen Vorteile einer Aktieninvestition auf der Hand. Das zeigen zumindest die historischen Daten. Dabei ist jedoch der zeitliche Rahmen von höchster Bedeutung: Wir reden hier über einen Anlagezeitraum von mindestens fünf Jahren. Bei allen kürzeren Zeitspannen hüpfen die Aktienkurse – wie jeder weiß – rauf und runter wie ein Gorilla auf Sprungfedern.
Bei Anteilen – der, wie Sie sich erinnern, anderen Hauptmethode, mit der Unternehmen Geld aufnehmen können – sieht die Sache schon etwas anders aus. Aktienkurse sind wie das Wetter, wechselhaft und unbeständig. Anteile verhalten sich dagegen eher wie der Wellengang des Meeres, langsamer, allmählicher, aber mit einer Eigendynamik, die man
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