Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
weder ignorieren noch bezwingen kann. Den größten Einfluss auf ihre Entwicklung haben die amtlichen Zinssätze, also die Zinssätze, zu denen die Regierung bereit ist, kurzfristig Geld an Finanzinstitute zu verleihen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Diese Zinssätze, auch unter dem Begriff Leitzinsen bekannt, werden in den USA von der US-Notenbank (Federal Reserve), im Vereinigten Königreich von der Bank of England und in der Eurozone von der Europäischen Zentralbank festgelegt. Sie bestimmen, zu welchen Sätzen sich die Banken gegenseitig und dann auch an Unternehmen und an uns Kunden Geld leihen. Der Präsident der Zentralbank kommt zwar nicht in das Büro des für Sie zuständigen Bankdirektors gestie rektorsürmt und diktiert ihm, wie viel Sie für Ihre Hypothek bezahlen müssen, aber die Wirklichkeit ist gar nicht so weit davon entfernt. Die Leitzinsen sind in vielerlei Hinsicht von höchster Bedeutung für die Wirtschaft. Letztendlich ist keine andere Zahl für das Funktionieren der Wirtschaft wichtiger, denn der Leitzins legt fest, wie teuer es einen zu stehen kommt, wenn man Geld leihen will.
Dieser Punkt ist für die in der Wirtschaft Bewanderten so selbstverständlich, dass sie sich gar nicht erst die Mühe machen, es uns Normalsterblichen zu erklären: Geld kostetnicht immer das Gleiche. Es gibt Zeiten, da ist Geld sehr teuer, wie zum Beispiel Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre, als die Zinsen im Vereinigten Königreich einen Höchststand von 17 Prozent erreichten, während es in den USA sogar 20 Prozent waren. Sobald das Geld teuer wird, tendiert die Konjunktur dazu, sich zu verlangsamen. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Verbraucher geben weniger aus, es wird schwieriger für Unternehmen, Kredite aufzunehmen, und genauso wird es schwieriger, an der Börse Geld zu verdienen, weil jeder auf die attraktiven Zinsen starrt, die anderswo zu haben sind. Auch die Inflation – bei der das Geld mit der Zeit an Wert verliert – gerät durch die Verteuerung des Geldes unter starken Druck. Und was den Anleihenmarkt angeht, also den Hauptweg, über den Unternehmen an Geld kommen, kann man die Auswirkungen des Leitzinses gar nicht hoch genug bewerten. Wenn US-amerikanische Schatzwechsel, die sicherste Investition, die es überhaupt auf der Welt gibt, schon 20 Prozent Zinsen einbringen, ohne dass man dabei irgendein Risiko eingeht, welchen Zinssatz müssten Sie dann wohl Ihren Kunden bieten, damit sie Ihre nervtötenden Anleihen kaufen? Die Antwort lautet: einen unglaublichen hohen. Und falls Ihre Anleihe vor ein paar Jahren emittiert wurde und nur kümmerliche 5 Prozent einbringt, was passiert dann wohl mit ihrem Preis? Antwort: Der Preis wäre, wie so mancher Händler sich elegant ausdrücken würde, das Papier nicht wert, mit dem Sie sich den Hintern abputzen. Andererseits, falls dieZinssätze niedrig sind und man günstig an Geld kommt, dann entsteht das Risiko einer Inflation. Doch in einem solchen Fall können die Unternehmen leichter Kapital aufnehmen, wodurch die Konjunktur Fahrt aufnimmt und mit ihr auch die Konsumfreudigkeit steigt. Auch die Arbeitslosenzahlen sinken. Es wird plötzlich günstiger für Unternehmen, Anleihen zu emittieren, so dass die schon vorhandenen Anleihen mit höheren Zinssätzen im Wert nach oben schießen. In beiden Fällen wird sich der Status wohlgemerkt von selbst korrigieren, oder sollte dies zumindest tun. Hohe Zinsen verlangsamen das Wachstum,aber auch die Inflation, was wiederum die Zinssätze nach unten drückt; niedrige Zinsen, die Regierungen zum Ankurbeln der Konjunktur einsetzen, heizen die Sache wiederum so auf, dass die Inflation sich beschleunigt und somit auch die Zinsen steigen.
Aktien und Anleihen sind die beiden größten Bereiche, in die weltweit investiert wird, und sie breiten sich bis in den entferntesten Winkel des wirtschaftlichen Lebens aus. Zu Beginn des neuen Jahrtausends machten jedoch beide Märkte eine etwas merkwürdige Entwicklung durch. Der Aktienmarkt hatte gerade eine spektakuläre Internet- und New-Economy-Blase hinter sich. Einige der damaligen Entwicklungen kann man wohl auf eine klassische Hysterie zurückführen, wie es sie in der Geschichte schon oft gegeben hat. Man denke nur an den holländischen Tulpencrash oder die Südseeblase im 18. Jahrhundert oder auch an die Eisenbahnaktienblase im 19. Jahrhundert. Die Regeln, denen solche Blasen und Zusammenbrüche folgen, sind wohlbekannt. Der Wirtschaftswissenschaftler Hyman
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