Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
es umso erstaunlicher, dass er zunächst einen solchen Kreuzzug für das Wohneigentum führte. Einer der Gründe dafür war wahrscheinlich die Volkszählung von 1920, die einen winzigen Rückgang beim Anteil der Wohneigentümer vermerkte, der seit 1910 von 45,9 Prozent auf 45,6 Prozent gefallen war. Das kam in Hoovers Augen einer Katastrophe gleich. »Nichts ist schlimmer als der Anstieg von Mietverhältnissen und Vermietergebaren«, räsonierte er. Die Parallelen zu Margaret Thatchers Ansichten über die Vorteile von Wohneigentum, die sie mehr als ein halbes Jahrhundert später vertrat, liegen auf der Hand. Aber Hoover verlieh seiner Einstellung auf wesentlich blumigere Weise Ausdruck: »Ein Wohneigentümer hat ein konstruktives Lebensziel … Er arbeitet mehr, wenn er nicht zu Hause ist, er verbringt seine Freizeit auf wesentlich nutzbringendere Weise und sowohl er als auch seine Familie führen ein nobleres Leben und genießen die Annehmlichkeiten und den erbaulichen Einfluss unserer modernen Gesellschaft.« Am entgegengesetzten Ende des politischen Spektrums hätte man sich zwar anders ausgedrückt, aber im Grunde genommen teilte man dort seine Meinung. Der Rückgang beim Anteil der Wohneigentümer, den die Volkszählung von 1920 an den Tag brachte, veranlasste die New York Times zu den Worten: »Die Stabilität unserer Nation ist gefährdet … das Volk verliert den Kampfum ein besseres Leben.«
Das Resultat war eine jahrzehntelange Politik der Eigenheimförderung, angefangen bei Hoovers »Own Your Own Home«-Kampagne über die Gründung der Home Owner’s Loan Corporation (Gesellschaft zur Förderung von Eigenheimkrediten) bis hin zu staatlich geförderten Institutionen wie Fannie Mae und Freddie Mac. etvreddie Wohneigentum war zu einem politisch erstrebenswerten Gut geworden und man schuf staatliche Mechanismen, um diese Entwicklung zu fördern. Das zog sich durch die gesamte Phase des Wohlstands, die aufden Zweiten Weltkrieg folgte. Es gab zwar auch in dieser Zeit ein stetiges Auf und Ab, dennoch war eine Verbesserung in den Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen zu verzeichnen. Alles lief wunderbar. Oder fast alles. Das Problem mit einem fast-universellen Wohlstandsanstieg ist eben genau jenes kleine Wörtchen »fast«. Seit den sechziger Jahren wurde immer deutlicher, dass ganz bestimmte Teile der Gesellschaft – und das galt insbesondere für die ethnischen Minderheiten – im Hypothekengeschäft diskriminiert wurden, nicht nur in der Theorie, sondern ganz konkret in der Praxis. So gab es zum Beispiel das sogenannte »Redlining«, bei dem man um gewisse Gegenden eine rote Linie zog und sich weigerte, den dort wohnenden Menschen einen Kredit zu gewähren. Das sorgte zu Recht für Empörung. Es wurde Druck auf die Regierung ausgeübt, solche Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen. Immerhin war der Staat nämlich, dank solcher Organe wie Fannie Mae und Freddie Mac, der wichtigste und mächtigste Akteur auf dem Gebiet der Hypothekenvergabe.
Einige Ziele dieser politischen Kampagne wurden erreicht, als Präsident Bush senior eine Gesetzesvorlage unterzeichnete, durch die Fannie Mae und Freddie Mac gezwungen wurden, 30 Prozent ihrer Kredite an Personen mit niedrigem oder mäßigem Einkommen zu vergeben. Die während der Clinton-Regierung zuständigen Minister für Wohnungsbau, zunächst Henry Cisneros, dann Andrew Cuomo, machten es sich zur Aufgabe, den Erwerb von Wohneigentum auch Gesellschaftsschichten zu ermöglichen, die bis dahin davon ausgeschlossen waren. Im Lauf der letzten Jahrzehnte wurden etliche politischen Maßnahmen ergriffen, die zusammengenommen eine neue Form der Kreditvergabe eröffneten. 1980 wurde der »Depository Institutions Deregulation and Money Control Act« (Gesetz zur Deregulierung depotführender Institutionen und zur Kontrolle der Geldvergabe, kurz DIDMCA) erlassen, durch den es legal wurde, bestimmten Kreditnehmern höhere Zinsen und Gebühren zu berechnen, genau das, was einen Subprime-Kredit ausmacht. Im Jahr 1982 folgte ein weiteresGesetz, der AMTPA oder »Alternative Mortgage Transaction Parity Act« (Gesetz zur Gleichstellung der alternativen Hypothekenvergabe). Dieses Gesetz ermöglichte variable Zinssätze und hohe Restschuldzahlungen (»balloon payments«) am Ende der Laufzeit. Und schließlich wurde 1986 noch der TRA, »Tax Reform Act« (Steuerreformgesetz) erlassen, durch den man nun die Zinszahlungen einer Hypothek von der Steuer absetzen konnte, was die
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