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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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die gesamte Weltordnung aus den Fugen. Das führte in der Wirtschaft und auf den Märkten zu großer Unsicherheit; und wenn es etwas gibt, das Wirtschaft und Märkte hassen, dann ist es Unsicherheit. Greenspan betrachtete das Ganze, erwog die Möglichkeit eines kurz bevorstehenden Krieges, kalkulierte, dass die Öl- und übrigen Rohstoffpreise in die Höhe schießen würden – und das zu einer Zeit, in der ohnehin eine allgemeine Konjunkturschwäche zu herrschen schien –, und beging einen − wie wir nun im Nachhinein wissen − großen Fehler: Er senkte die Zinsen noch weiter. Dieser Vorgang setzte sich fort, bis schließlich im Juni 2003 der Zinssatz auf 1 Prozent gesunken war, ein nach historischen Maßstäben außergewöhnlich niedriger Satz. Auf dieser Stufe blieb er bis 2004.
    Die niedrigen Zinsen bedeuteten, dass es für Unternehmen ein Leichtes war, günstig an Geld zu kommen; das galt ebenso für Verbraucher, die Kredite aufnehmen wollten, und für Baufirmen, die Kapital benötigten. Auch eine Hypothek aufzunehmen war nun viel unkomplizierter. Die Preise von Anleihen waren ebenfalls im Keller, auf einem historisch niedrigen Niveau. Wie ich oben schon ausgeführt habe, korrigiert sich dieser Prozess normalerweise ganz von selbst. Weil Anleihen nur wenig Zinsen einbrachten, würden sich Anleger eine andere Investionsmöglichkeit suchen, weshalb man gezwungen wäre, die Zinsen der Anleihen zu erhöhen, um wieder Investoren anzulocken. Zu diesem Zeitpunkt kam jedoch ein ganz neuer Faktor ins Spiel. Unter Ökonomen streitet man sich über dieses Phänomen und darüber, welche Bedeutung es hatte – Alan Greenspan selbst gab ihm die Schuld an der gesamten Blase und dem darauffolgenden Crash –, aber man kann es ganz pauschal in einem einzigen Wort zusammenfassen: China. Das dortige Wirtschaftswachstum war enorm gewesen und China war für alle anderen Industriestaaten praktisch zu einer Art Universalfabrik aufgestiegen. Man stelltedort buchstäblich alles her. (Nach einer kurzen Bestandsaufnahme meiner unmittelbaren Umgebung stelle ich fest: Meine Unterhose, meine Socken, die Hose und das T-Shirt, die ich trage, und auch das glänzende Apple-Laptop, in das ich diese Worte tippe – sie alle wurden in China hergestellt.) Die enormen Exporteinnahmen führten dazu, dass China geradezu im Geld schwamm. Und was tat es mit diesem Geld? Ein demokratisches Land hätte sich wohl verpflichtet gefühlt, die riesige Summe an Yuan zu nehmen, die ins Land strömte, und sie in Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Forschung, Infrastruktur, medizinische Versorgung, höhere Löhne für Staatsbeamte, höhere Versorgungsleistungen und was es sonst noch alles gibt zu investieren. Ein nicht-demokratisches Land ist einem solchen Druck nicht ausgesetzt, jedenfalls nicht in gleicher Weise. China nahm seinen beispiellosen Handelsüberschuss und investierte Unsummen in die USA – vor allem in die amerikanischen Staatsschulden. Die Chinesen kauften US-Schatzwechsel für die gigant r die gische Summe von 699 Milliarden Dollar, und das sind nur die offiziell registrierten Käufe. Darüber hinaus gab es noch unzählige Ankäufe von Wertpapieren und Anleihen, die ebenfalls in US-Dollar notiert waren. Statt also das eigene Geld auszugeben, entschied sich China dafür, die Ausgaben der USA zu finanzieren. Man kann sich darüber streiten, inwieweit das für die Kreditblase verantwortlich war, aber der grundsätzliche Verlauf liegt klar zu Tage. Die chinesischen Fabriken drückten die amerikanische Inflation nach unten, indem sie dafür sorgten, dass die Waren billig blieben, und das in einer Zeit, in der die Preise normalerweise gestiegen wären, und gleichzeitig erlaubten die chinesischen Investitionen der US-Regierung, günstig an Kredite zu kommen und noch mehr Geld auszugeben. Normalerweise wären diese Kredite bei entsprechend ähnlichen Verhältnissen wesentlich teurer gewesen. Die Chinesen kauften US-Schatzwechsel in rauhen Mengen, zu einer Zeit, in der die geringen Zinsen normalerweise Investoren abgeschreckt hätten – was wiederum dazu geführt hätte, dass die Zinsen der Wechsel gestiegen wären.
    Niedrige Zinssätze waren also schlecht für den Anleihenmarkt. Aber es gab eine Stelle im System, wo sie eine wahrhaft rauschhafte Wirkung entfalteten, nämlich auf dem Immobilienmarkt. Nie zuvor war es so günstig gewesen, einen Kredit für den Kauf eines Hauses aufzunehmen, sei es nun das erste Haus, falls man noch keines hatte, oder ein

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