Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
größeres, besseres als das, was man bereits besaß. Es war noch nie günstiger gewesen, Geld zu leihen. Und da nun Kredite so leicht zu haben waren, stiegen die Immobilienpreise. Diesen Vorgang nennt man »Vermögenspreisinflation«. In einfachen Worten: Nicht die Aktienkurse steigen (was wegen der Nachwirkungen der Dotcom-Krise kaum passierte) oder die Preise auf dem Anleihenmarkt (was auch nur in sehr geringem Umfang geschah, weil die Zinsen so niedrig waren), sondern andere Vermögenswerte werden teurer. Und was ist der größte Vermögenswert, den ein Normalbürger besitzt? Sein Haus. Weil die Zinsen so niedrig waren, stiegen in der gesamten westlichen Welt die Immobilienpreise. Während des Jahrzehnts, das dem Jahr 1995 vorausging, legten die Immobilienpreise in den USA um 57,7 Prozent zu, in Großbritannien um 134,7 Prozent, in Irland um 242 Prozent und in Spanien um 114 Prozent. Deshalb begannen viele Akteure im Finanzsektor darüber nachzudenken, wie man wohl von diesem Boom am Immobilienmarkt am besten profitieren könnte.
4. Kapitel
Bühne frei für die Genies
Wir sind nun an einen Punkt gelangt, an dem es hilfreich wäre, das Geld für einen Moment als eine Art handelnde Person oder zumindest als eigenständige Kraft zu sehen. Fragen wir uns also, was sich das Kapital in diesem Augenblick wohl wünschen würde, wenn es in der Lage wäre, seinen Willen durchzusetzen. Stellen wir uns vor, das Kapital wäre ein Virus, das von dem Bedürfnis angetrieben wird, sich zu vermehren; Kapital will wachsen. Die Zinserträge von Aktien sind an einem Tiefpunkt. Die Zinserträge von Anleihen sind an einem Tiefpunkt. Also sucht das Kapital nach neuen Wegen, um zu wachsen und sich zu mehren. Wenn die alten Rezepte keine Wirkung mehr zeigen, muss sich das Geld eben neue suchen.
Auf dem Börsen- und Anleihenmarkt ist nicht viel los (abgesehen natürlich von den vielen Billionen Dollar, die jeden Tag den Besitzer wechseln; ich meine damit, dass nicht viel Neues oder Ungewöhnliches passiert). Aber am Immobilienmarkt geht gerade die Post ab. Dort schießen die Preise in die Höhe. Eine entsprechend große Geldmenge wird daher auch in den Hypothekenmarkt gepumpt. Das ist aus Sicht des Kapitals eine freudige Nachricht, denn Hypotheken bieten aufgrund der Rückzahlungen einen stetigen Geldfluss und darüber hinaus die Möglich
Aber es kommt noch besser. Während dieses Booms der Immobilienmärkte tauchen plötzlich alle möglichen Leute auf, die bisher eher zu den Zaungästen zählten, und möchten auch ein Haus kaufen, möchten dazugehören und an dem Traum von Sicherheit und Wohlstand teilnehmen, den der Besitz von Wohneigentum darstellt. Das Tolle an diesen neuen Teilnehmern am Immobiliengeschäft ist, dass sie in der Vergangenheit nie ein Haus besessen haben und auch sonst kaum über Nachweise ihrer finanziellen Verlässlichkeit verfügen – ihre Kreditwürdigkeit wird also als ziemlich mies eingestuft. Fantastisch! Das bedeutet, dass sie, wenn sie einen Kredit aufnehmen wollen, mehr dafür bezahlen müssen. Da sie als hohes Risiko eingestuft werden, zahlen sie für ihre Hypothek wesentlich mehr als der Durchschnitt. Ihr Kredit bringt also eine wunderbare Rendite ein. Zu einer Zeit, in der die Renditen überall sonst einen enttäuschenden Tiefstand erreicht haben, kommen diese Leute in den Augen des Kapitals wie gerufen.
In der Zwischenzeit hatte längst jemand herausgefunden, wie man aus Hypotheken Collaterized Debt Obligations machen konnte, ähnlich wie man das bereits bei Unternehmensanleihen, sonstigen Bonds und anderen Finanzprodukten getan hatte. Wie Sie sich vielleicht erinnern, sind diese Collaterized Debt Obligations eine Reihe von Schuldscheinen, die von einer Gruppe von Kreditnehmern zurückgezahlt werden und die man bündelt und dann als Anleihenpaketemit jeweils eigenen Zinssätzen weiterverkauft. Sie waren zunächst nur bei Unternehmensschulden angewandt worden, hatten sich aber in der Zwischenzeit auch im Bereich der Hypothekenschulden ausgebreitet. Wie üblich gab es auch hier zwei unterschiedliche Geldströme: einer aus den Gebühren, die bei Abschluss des Handels berechnet wurden, und ein weiterer aus den Rückzahlungen selbst.
Bis zu diesem Moment bestanden diese hypothekenunterlegten CDO-Papiere ausschließlich aus sogenannten »konformen« Hypotheken, also aus Hypotheken, die mit den Vergaberegeln übereinstimmten. Diese Regeln wurden von denstaatlichen Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie
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