Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Mac aufgestellt und setzten fest, an wen Geld verliehen werden durfte und zu welchen Bedingungen. Hypotheken, die sich an diese Regeln hielten, wurden als »conforming loans« (konforme Kredite) bezeichnet. Die Hypothekengeber, die als Vermittler zwischen Fannie, Freddie und den Kunden fungierten – wie Sie sich vielleicht erinnern, verteilten F & F ihre Kredite nicht direkt an die Öffentlichkeit, sondern an die Finanzinstitute, denen die Hypotheken letztendlich gehörten –, hatten sogar noch strengere Regeln. Diese Einschränkungen bezogen sich auf alle möglichen Parameter: auf die Zahlungsmoral eines Kunden, den Kreditanteil am Kaufpreis einer Immobilie und noch so einiges mehr. Doch nun gab es einen riesigen neuen Markt von nicht konformen Hypotheken, die den von Fannie und Freddie geforderten Kriterien nicht entsprachen. Die politische Strategie der Hypothekenvergabe an die schon erwähnten »vernachlässigten« Gesellschaftsschichten folgte hehren Prinzipien und man setzte sie sehr einfallsreich um, indem man die Hypothekenvergabe durch Aufweichen der Kriterien auf niedrigere und riskantere Einkommensgruppen ausdehnte. Die politischen Maßnahmen schienen zu greifen und es dauerte nicht lange, bis die Hypothekengeber begriffen, was das bedeutete: Es gab nun einen vollkommen neuen sekommen Markt mit riskanteren und daher auch lukrativeren Krediten, die an arme und weniger kreditwürdige Menschen vergeben werden konnten. Also dehnte man die Kreditvergabe zunächst vorsichtig, dann aber immer enthusiastischer auf diese neue Gruppe von Kreditnehmern aus. Die so entstandenen »nicht-konformen« Hypotheken wurden unter dem Begriff Subprime-Hypotheken bekannt, auch wenn dieser Name in gewisser Hinsicht irreführend ist, denn die »Subprime«-Hypotheken (in etwa übersetzbar mit »nicht ganz erstklassig«) brachten mehr Zinsen ein als solche, die als erstklassig eingestuft wurden. Aus Sicht des Kapitals waren die Subprime-Kredite viel erstrebenswerter, weil mehr Geld damit zu holen war. Wenn es also jemandem gelänge, ein CDO-Papier zu konstruieren,das auf diesen ungemein attraktiven Subprime-Hypotheken basierte …
Dann wäre das perfekt. Wieder einmal würde die Securitization ihre magischen Kräfte entfalten. Der Prozess der Securitization (also der Verbriefung von Verbindlichkeiten) und der Weiterverkauf dieser Schulden würde Kapital freisetzen, das man für weitere Kredite benutzen konnte. Aber es gab einen kleinen Haken an der Sache: Sie war nicht umsetzbar. Und der Grund dafür war ein scheinbar unüberwindliches statistisches Problem. In der Welt der Unternehmen, die den bereits munter florierenden Markt für Credit Default Swaps stützte, existierten riesige Mengen von Material, statistischen Aufstellungen und Firmenhistorien, die bei allen Geschäftsabschlüssen eine wichtige Rolle spielten. Dieses ganze Material, das über Unternehmen gesammelt wurde, wie zum Beispiel Zinssätze, Tilgungsverläufe, Zahlungsunfähigkeiten, der ganze Klimbim, war öffentlich bekannt. Es war nicht nur bekannt, es wurde aufmerksam und mit viel Mühe studiert, auseinandergenommen und analysiert. Zu diesem Zweck waren einige der wichtigsten Ratingagenturen der Finanzwelt wie Moody’s und Standard and Poor’s ja überhaupt erst geschaffen worden. Die Einschätzung von Zahlungsunfähigkeitsrisiken und der Sicherheit von Anleihen war gleichsam ihre Daseinsberechtigung, das war genau der Grund, warum ihre Angestellten morgens aufstanden und zur Arbeit gingen. Besonders die Ausfallquote – also die Häufigkeit von Zahlungsunfähigkeiten – war für die Ratingagenturen ein ganz wesentlicher Punkt bei ihren Analysen. Ausfallquoten haben nämlich einen großen Einfluss auf die Qualität eines Kredits: Wenn Sie zehn Kredite vergeben und einer davon platzt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieser eine Kredit den Gewinn aus allen übrigen Wetten komplett auslöscht. Es gab also eine ganze Branche, die sich der Untersuchung der Schuldscheine widmete, die den CDO-Papieren zugrunde lagen. Stinknormale 08/15-Hypotheken waren im Wesentlichen ähnlich. Wenn man sich eine große Menge respektabler Bürger vornahm, diealle finanziell eine reine Weste hatten, dann war es nicht besonders schwer, die Risiken einzuschätzen, die es bei den darauf basierenden CDOs gab. Doch bei Subprime-Hypotheken lag die Sache völlig anders. Es gab einfach keinen Datenbestand, aus dem man Schlüsse auf ihre Leistungsstärke hätte ziehen können,
Weitere Kostenlose Bücher