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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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der Rest in den AA-Topf, dann weiter hinunter zu BBB und so weiter. Wenn derGeldfluss sich verlangsamte, dann war das Pech für die Leute, denen die untersten Töpfe gehörten, denn die würden zuerst austrocknen. Andererseits wurden sie für dieses Risiko auch mit den superattraktiven Zinssätzen entlohnt, die ihre CDO-Papiere abwarfen. Der Topf ganz oben würde natürlich nie leer ausgehen. Solange überhaupt irgendwelches Geld hereinkam, würde es diesen Topf zuerst füllen. Das war die Idee, die dahinterstand, und wie gesagt, ein Teil meines Gehirns konnte die Erklärung nachvollziehen. Aber der größere Teil meines Kopfes ist immer noch schwindelig vor lauter Fassungslosigkeit, dass es jemanden gibt, der so clever und gleichzeitig so dämlich ist zu glauben,dass man menschliche Fehlbarkeit einfach aus der Gleichung ausradieren kann. Sie hatten Murphys Gesetz vergessen, ein sehr wichtiger Grundsatz des Ingenieurwesens – und wohlgemerkt nicht dasselbe wie »Sod’s Law« (grob übersetzt: das Gesetz der armen Schweine), das mokant mit dem Gedanken spielt, dass immer das Schlimmste passiert (auf Französisch sagt man dazu »le loi de l’immerdement maximum«). Murphys Gesetz besagt dagegen, dass alles, was schiefgehen kann, auch schiefgehen wird. Angewandt auf das Ingenieurwesen bedeutet dieses Prinzip, dass man die Möglichkeit, etwas könne schiefgehen, von vornherein in ein Gerät miteinbauen muss. Man muss wissen, wie man diese Möglichkeit überwachen und ihre Folgen beheben kann und was man als Alternative in der Hinterhand braucht, falls dabei etwas schiefgeht. Die Designer der CDO-Papiere haben Murphys Gesetz vollkommen außer Acht gelassen. Und das fällt Zivilisten und Außenseitern bei diesen neuen CDOs am meisten ins Auge. Man kann die grundlegenden Prinzipien des Swaps und der Securitization von Schulden nachvollziehen und auch den Gedanken, dass all diese Erfindungen ursprünglich dazu dienen sollten, Risiken zu verteilen und Kapital freizusetzen – aber irgendwann kam der Punkt, an dem man die Sache übertrieb, die Kontrolle verlor und sich von dieser Welle aus innovativen Finanzinstrumenten viel zu weit hinaustragen ließ.
    Man hatte den Designern der neuen, mit Subprime-Hypotheken unterlegten CDO-Papiere Zugang zu den Risikofaktorenmodellen gewährt, die von der Ratingagentur Moody’s benutzt wurden. Das war eine durchaus ehrenwerte Geste, denn solche Agenturen wie Moody’s laufen immer Gefahr, sich den Vorwurf anhören zu müssen, sie legten bei ihren Entscheidungen – jenen Urteilen, die so ungeheuer folgenschwer sind, nicht nur für Unternehmen, sondern auch für ganze Staaten – zu wenig Transparenz und zu viel Willkür an den Tag. Das Sonnenlicht ist immer noch das beste Desinfektionsmittel und die Entscheidung, die Bewertungsmodelle zu veröffentlichen, war durchaus löblich. Aber sie ermöglichte esden Designern der strukturierten Schuldverschreibungen – also der in Paketen zusammengeschnürten und dann wieder zerstückelten Schuldscheine –, Anleihen zu erstellen, die auf Moody’s Ansprüche maßgeschneidert waren und ihren Kriterien voll und ganz entsprachen. Und genau das taten diese Designer dann auch. Es gab keinerlei Einschränkungen für die Art von Geldmitteln, die in ein CDO einfließen konnten; es konnte sogar Geld aus einer anderen, bereits existierenden Art von CDO sein. Tolle Idee! Man begann, CDOs von CDOs zu konzipieren, lauter verschiedene Zusammenschlüsse aus stranksse auukturierten Schuldverschreibungen, die man zerstückelte und in Scheibchen schnitt und wieder zerstückelte und wieder in Scheibchen schnitt. Und die Vermögenswerte, die diesen superraffinierten Finanzinstrumenten zugrunde lagen, waren Leute mit lückenhaftem Einkommen, die sich verzweifelt damit abmühten, ihre Kredite zurückzuzahlen. Diese neuen CDO-Papiere, die auf CDO-Papieren basierten, nannte man CDO 2 – CDO hoch zwei.
    Es gab noch eine weitere Komponente, die man von den ersten CDO-Geschäften übernahm. Erinnern wir uns an jene Zweckgesellschaft, das SPV – Special Purpose Vehicle –, das dazu diente, die verbrieften Schuldscheine aus den Geschäftsbüchern der Banken herauszuhalten (und dem Zugriff der Steuerprüfer zu entziehen). Viele neue CDO-Papiere wurdenvon einer ähnlichen Neuerfindung zusammengestellt, dem SIV, Structured Investment Vehicle. Dabei handelte es sich um Tochtergesellschaften, die bis zu einem gewissen Grad von den ursprünglichen Banken unabhängig waren und

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