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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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ihre Einnahmen teilweise aus dem Verkauf der CDO-Vermögenswerte und teilweise aus Zahlungen der Muttergesellschaft bezogen. Im Endeffekt taten sie jedoch das Gleiche wie die SPVs: Sie hielten die jeweiligen Vermögenswerte aus der Bilanzaufstellung der Banken heraus und erlaubten ihnen auf diese Weise, die Basler Bestimmungen hinsichtlich der Kapitalreserven zu umgehen. Und die Art, wie sie das taten, war geradezu genial. Die Basler Regeln bezogen sich auf alle Kreditrahmen, diemindestens ein Jahr umfassten. Also legte man die SIVs so an, dass sie nur maximal 364 Tage im Geschäft waren. Fantastisch! Es gab natürlich gute Gründe für diese Regeln – nämlich die Zahlungsfähigkeit der Banken auch in schwierigen Zeiten zu gewährleisten, indem man das Kapitalniveau auf einem vernünftigen Level hielt –, aber mal ehrlich, wer scherte sich schon um sowas! Die schiere Gleichgültigkeit, mit der man den Beweggründen zum Aufstellen dieser Regeln und den Regeln selbst begegnete, hatte schon fast etwas Mitreißendes. Die Banken waren sicher, todsicher, dass sie es selbst besser wussten. Viele der größten Banken der Welt stürzten sich mit solcher Macht auf den neuen hypothekenunterlegten CDO-Markt, als hinge ihr Leben davon ab. Dazu gehörten Unternehmen wie die UBS, die RBS, Merrill Lynch unddie Citigroup. All diese genannten Banken mussten in der Zwischenzeit von den Steuerzahlern ihrer jeweiligen Heimatländer aus dem Morast gezogen werden.
    Aber man muss betonen, dass nicht alle Finanzinstitute mitmachten. Kritiker, die behaupten, alle Banker seien schlecht – oder jene, die wie der US-amerikanische Bundesrichter Richard Posner im Gegenteil meinen, die Risiken, die manche Banken eingingen, seien unter den gegebenen Umständen durchaus vernünftig gewesen und der Wettbewerbsdruck habe ihnen keine andere Wahl gelassen – berücksichtigen nicht genügend, dass es auch manche Banken gab, die die Finger von der Sache ließen. 19 Am auffälligsten war diese Abstinenz beim J.-P.-Morgan-Team, das die ganze CDS- und CDO-Branche mehr oder minder im Alleingang erfunden hatte. Man erkannte dort durchaus, wie profitabel die neuen hypothekenunterlegten CDO-Papiere waren, aber nachdem die Mitglieder des Teams einen langen und ausgiebigen Blick auf das ganze Geschäft geworfen hatten, nahmen sie davon Abstand. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, wie es möglich sein sollte, die Risiken auf eine einigermaßen sichere Stufe herunterzuschrauben. Die anderen Banken mussten irgendeine Methode entdeckt haben, die ihnen selbst entgangen war.Blythe Masters, die Frau, die für den Exxon-Valdez-Deal zuständig gewesen war, die ersten BISTRO-Anleihen verkauft und daher die ganze CDS-Branche mit ins Leben gerufen hatte, konnte sich den CDO-Boom überhaupt nicht erklären. »Wie machen die anderen Banken das bloß?«, fragteken?«, f sie. »Wie schaffen die es, so viel Geld damit zu verdienen?« 20 So wie es Gillian Tett in Fool’s Gold beschreibt, hatte sie das Firmenethos von J. P. Morgan dermaßen verinnerlicht, dass es ihr nie in den Sinn kam, die anderen Banken könnten sämtliche Risikokontrollen einfach außer Acht lassen, an die sich J. P. Morgan gehalten hatte.
    ***
    Und nun sind wir an einem Punkt angelangt, wo die Geschichte sogar noch hässlicher wird, als sie es ohnehin schon ist. Wenn wir uns für einen Moment die Vorstellung in Erinnerung rufen, das Geld hätte einen eigenen Willen, könnten wir uns die Frage stellen: Was würde das Kapital als Nächstes tun? Es hat eine Möglichkeit entdeckt, zu guten Zinssätzen Geld zu verdienen, und hat gleichzeitig mit einem Geniestreich alle üblichen Risiken einfach ausradiert. Das Einzige, was dieser Geldmaschine jetzt noch im Wege steht, ist die relativ geringe Zahl an Kreditnehmern in der maßgeblichen Kategorie. Denn man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass die Einnahmequelle, auf der diese erstaunliche, neue Finanzinstrument beruht, arme oder zumindest finanzschwache Leute sind; Leute, die ihre Hypothek zurückzahlen und deren Zahlungen nicht unbedingt hundertprozentig verlässlich sind. Sie bilden eine ganz spezielle Kategorie: nicht sicher oder reich genug, dass sie für eine »normale« Hypothek in Frage gekommen wären, aber auch nicht so riskant, dass man davon ausgehen musste, sie würden ihre Hypotheken nicht zurückbezahlen. Wie schon gesagt: Hypothekenschuldner, die zahlungsunfähig werden, sind für den Kreditgeber eine Katastrophe, denn jeder

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