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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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geplatzte Kredit löscht einen Großteil der Einnahmen aus den erfolgreichen Krediten wieder aus.Es leuchtet ein, dass dieser besondere Teil des Zielmarktes, also jene Subprime-Kreditnehmer, die riskant genug waren, um profitabel zu sein, aber nicht so riskant, dass man mit dem Platzen der Kredite rechnen musste, nicht gerade in Heerscharen zu finden waren.
    In den Zeiten, als die Hypothekenbranche noch auf einer ganz anderen Methode aufbaute, nämlich darauf, dass der Kreditgeber dem Kreditnehmer auf den Zahn fühlte und dann entscheiden konnte, ob man ihm einen großen Haufen Geld leihen sollte, den er während der nächsten 25 Jahre zurückzahlen würde, wäre man irgendwann unweigerlich an einen Punkt gekommen, wo kein Kandidat mehr für diese Art von Kredit zu finden war. Dann hätte der Kreditgeber voller Bedauern geseufzt, seine Akten zusammengerafft und diese neue Art der Kreditvergabe wieder eingestellt. Aber das alte Modell griff nicht mehr. Und hier wird nun endlich klar, warum die Erfindung der Securitization das Bankwesen ruinierte: Man hatte den Kreditgeber vom Kreditnehmer getrennt, indem man den Kredit einfach weiterverkaufte. Die Menschen brauchten das Geld, um Häuser zu kaufen, und das Geld brauchte einen Weg, um zu den Menschen zu gelangen. Das Resultat war eine riesige Welle von Innovationen auf dem Gebiet der Hypothekenvergabe. Was passiert nun also, wenn das Kapital sich nach neuen Kreditnehmern umschaut und der Prozessder Risikoeinschätzung, der den Kreislauf hätte unterbrechen können, aus der Gleichung gestrichen wird? Antwort: Es werden trotzdem einfach weiter Kredite vergeben. Es kam zu einer wahrhaft angsteinflößenden Verkehrung der Umstände. Der Prozess der Kreditvergabe wurde nicht mehr von dem legitimen Bedürfnis armer, aber zuverlässiger Leute angetrieben, ein eigenes Heim zu besitzen. Jetzt hatte er sich vielmehr in einen künstlich erzeugten Mechanismus verwandelt, der vom Kapital selbst angetrieben wurde. Das Geld suchte auf geradezu entfesselte Weise nach Leuten, die gewillt waren, einen Kreditvertrag zu unterschreiben. Es kam zu einer wahren Epidemie von sogenanntem »predatory lending« (räuberischerKreditvergabe). Diinevergabee Hypothekengeber taten alles nur Menschenmögliche, um solche Kreditnehmer unter Vertrag zu nehmen, die gezwungen waren, die höheren Subprime-Zinsen zu zahlen, damit man diese Schulden dann bündeln, verbriefen und als CDO-Tranchen mit verschiedenen Risikograden weiterverkaufen konnte. Einiges davon geschah in Großbritannien, aber der Großteil dieser Geschäfte wurde in den USA getätigt.
    Dabei darf man nicht vergessen, dass es sich hier um eine Branche handelte, in der es ohnehin schon oft genug darum gegangen war, die bestehenden Regeln zwar nicht unbedingt zu ignorieren, aber doch eher flexibel auszulegen. Das war ja der Sinn des Ganzen. Die Subprime-Kreditnehmer waren für gewöhnlich Leute, deren Bonität man nicht besonders hoch einschätzte. Der Grad dieser Bonität – oder auch Kreditwürdigkeit – wurde von jenen Unternehmen ermittelt, die dafür verantwortlich sind, die Kreditwürdigkeit eines jeden erwachsenen Menschen zu bewerten. Zu diesem Zweck werden die jeweiligen Konsummuster und die Kreditgeschichte 15 aufgeschlüsselt, bis am Ende eine einzelne Zahl dabei herauskommt. (Die drei größten Ratingagenturen der USA, die dort in der Subprime-Geschichte die wichtigste Rolle spielten, sind Equifax, Expertian und TransUnion; die beiden Erstgenannten stehen auch in Großbritannien jeweils an erster und zweiter Stelle.) In den USA wird diese Zahl FICO-Score genannt, nach der Firma Fair Isaac Corporation, die das Punktesystem erfunden hat. Die niedrigste Punktzahl ist 300, was mehr oder minder bedeutet, dass man auf der Fahndungsliste des FBI steht. Wenn man die höchste Punktzahl von 850 bekommt, ist man wahrscheinlich Warren Buffett persönlich − obwohl BuffettsRating womöglich gar nicht mal so hoch ist, denn die Kreditwürdigkeit steigt unter anderem dann, wenn man regelmäßig Schulden gemacht hat und nachweisen kann, diese immer zurückgezahlt zu haben. Wenn Buffett nun gar keine Hypothek hat, nur eine einzige Kreditkarte benutzt, die Rechnungen der Versorgungsunternehmen von einer anderen Person bezahlen lässt und keine noch ausstehenden Schulden oder wie auch immer gearteten Kreditverträge laufen hat, dann könnte seine Kreditgeschichte möglicherweise etwas dürftig aussehen. Bei den Kredit-Ratings dreht sich alles um

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