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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Illouz
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Örtlichkeit, um dies in der festen Entschlossenheit zu betreiben, daß wir einander verbessern und voneinander verbessert werden – uns wechselseitig unsere Fehler gestehen und füreinander beten, daß wir geheilt werden mögen …  [44]
     
    An heutigen Standards gemessen erscheint diese Beschreibung von Beziehungsproblemen so nüchtern wie distanziert, das heißt, sie geht nicht davon aus, daß jeder der beiden Partner die einzigartige Veranlagung des anderen erkennen und nach größtmöglicher Verschmelzung streben sollte. Sie bringt vielmehr die Auffassung zum Ausdruck, daß beide versuchen müßten, ihr jeweiliges Selbst und das des anderen zu »verbessern«. Dies steht im Gegensatz zu zeitgenössischen Modellen von Nähe und Intimität.
    In einer Beschreibung der Struktur des Alltagslebens vieler Paare heißt es:
     
    In ihren alltäglichen Gesprächen »überprüfen Partner gegenseitig ihre Gelüste, Begierden und Einstellungen; sie verkünden ihre Werte; legen die Struktur ihrer Besorgnisse offen; enthüllen ihren Bindungsstil; und reden im übrigen frei über eine Vielzahl an Themen, die offen wie unterschwellig deutlich machen, was sie meinen, und Hinweise dar 400 auf geben, was andere meinen.« Die empirischen Belege scheinen die Wichtigkeit der Alltagsgespräche zu belegen.  [45]
    Diese Art des Gesprächs – in dem man sein Seelenleben und seine Präferenzen offenlegt – hat den Effekt, Formen intensiver Vertrautheit zu schaffen, die der Fähigkeit, Distanz zu wahren, entgegenstehen. Kognitiv verhält sich Vertrautheit zu Gefühlen so wie Nähe zu Wahrnehmungen: Eine gewisse Entfernung von einem Gegenstand macht es leichter, das Material in kulturelle Formen zu gliedern und somit auf seine Gestalt zu achten. Die Nähe zu einem Gegenstand hingegen führt dazu, daß man sich auf die einzelnen Bestandteile der Erfahrung konzentriert. Auf den Alltag und romantische Beziehungen umgemünzt bedeutet dies meiner Ansicht nach, daß Nähe einen stärker auf die einzelnen und für sich stehenden Momente des täglichen Lebens achten läßt, jedoch die Fähigkeit schwächt, auf deren kognitive Form zu achten – auf die kulturelle Gestalt, die diese Momente in die Lage versetzt, emotionale Lebendigkeit hervorzurufen. Anders gesagt: Die Institutionalisierung von Intimität und Nähe ruft Irritationen und Enttäuschungen hervor, weil sie die Partner dazu bringt, sich unentwegt aufeinander und weniger auf die kulturelle Gestalt ihrer Gefühle zu konzentrieren.
    Einer der Gründe, warum Distanz Idealisierung ermöglicht, besteht darin, daß sie die »andere« Form von Bewußtsein aktiviert, also jene Form von Gedächtnis, das sich an gute Erlebnisse erinnert, sowie die vorgreifende Vorstellung, die diese Erinnerungen zu ästhetischen Szenen anordnet. Distanz ermöglicht die Vorwegnahme einer Begegnung nach Gedächtnisskripten und kognitiven Formen, die das alltägliche Leben ästhetisieren, sich in der kognitiven Offenheit des Alltags jedoch schnell verlieren. Gerade weil sich Gefühle 401 leichter bilden, wenn sie mit klar konturierten (»ästhetischen«) Formen interagieren, ermöglicht Entfernung intensivere Empfindungen – Empfindungen, die deshalb intensiver sind, weil sie in deutliche und genau umrissene kognitive Muster gegliedert sind.
Psychologische Ontologie
    Einem tiefverwurzelten Klischee zufolge macht uns ein Übermaß an Phantasie und Erwartungen realitätsuntauglich. Dasselbe Klischee besagt, daß Erwartungen von Haus aus unrealistisch sind. In einem Beitrag zur »Modern Love«-Kolumne der New York Times berichtet eine Frau, wie sie sich von ihrem Freund, der sehr gut zu ihr paßte, eben deshalb trennte, weil sie ihre Erwartungen immer höherschraubte:
     
    Als ich meine beengte Wohnung und meinen vor sich hin dösenden Freund auf mich wirken ließ, blitzte eine Vision unserer gemeinsamen Zukunft vor meinem inneren Auge auf – ein Leben, das mir, nun ja, durchschnittlich vorkam. Ich wollte aber mehr.  […] In New York, und vor allem in der Filmindustrie, ist es schwer, sich die Vorstellung aus dem Kopf zu schlagen, daß gleich hinter der nächsten Ecke etwas Besseres lauert. Doch als ich mir diese Vorstellung zu eigen machte, ließ ich zu, daß sich mein Leben in einen endlosen Kreislauf schaler Enttäuschungen verwandelte. Am Ende sehnte ich mich nach jemandem wie meinem Tim Donohue, der genau mit dem zufrieden zu sein vermochte, was er hatte und wer er war. Schlimmer noch, ich sehnte mich

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