Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Illouz
Vom Netzwerk:
macht, die nur schwer verhandelbar sind, weil sie Interaktionen auf feste psychologische Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale herunterbrechen. Hierfür ein weiteres Beispiel aus einem Interview mit einer Psychologin:
     
    SUSAN : Ich lernte diesen Typ bei einem Abendessen kennen, und er gefiel mir ziemlich gut, er sieht gut aus und riß die ganze Zeit Witze, die alle zu hysterischen Lachanfällen brachten. Als er mich nach meiner Telefonnummer fragte, war ich begeistert, einfach nur begeistert. Wir trafen uns also zum Mittagessen, in einem Cafe mit Garten. Er wollte lieber im Garten sitzen, ich wollte lieber drinnen sitzen. Also saßen wir im Garten. Aber ich konnte wirklich nicht in der Sonne sitzen, weil ich keine Sonnenbrille dabei hatte und sehr empfindlich auf Sonnenlicht reagiere, aber er sagte, er leide unter Sonnenmangel und bestand darauf, daß wir in der Sonne sitzen, und wissen Sie was, eigentlich war mir in dem Moment klar, daß ich nicht mehr von ihm angezogen war.
    INTERVIEWERIN : Können Sie sagen, warum?
    SUSAN : Ich hatte den Eindruck, daß man mit diesem Menschen nur schwer zu einem Kompromiß finden würde. Daß er seine Interessen immer an erste Stelle setzen würde.
    INTERVIEWERIN : Ausgehend von dieser Begebenheit konnten Sie also sehen, wer er war.
    SUSAN : Absolut. Wenn man über einen guten Instinkt und psychologischen Scharfsinn verfügt, dann kann man sehr schnell und an kleinen Detail sehen, wer jemand ist. Vielleicht vor allem an kleinen Details.
    In einer »Modern Love«-Kolumne erzählte eine Frau, wie sie sich während eines Vipassana-Workshops in einen Mann »verliebte« und ihn dann schließlich ansprach: »Ich schaute ihn von der Seite an und sah die Stifte, die er in seine Hosentasche gezwängt hatte – nicht nur einen Stift, sondern viele, ein ganzes Bündel. Es war dieses merkwürdige Detail, das mir klarmachte, wie durchgeknallt er theoretisch sein 405 könnte.«  [48] Unübersehbar wird dieses »merkwürdige Detail« in eine psychologische und emotionale Ontologie übersetzt.
    Diese minutiöse, detailgenaue, psychologisierte Art und Weise, andere zu beurteilen, ist allgegenwärtig geworden. Catherine Townsends Freund etwa wurde von ihren Freundinnen wie folgt eingeschätzt: »Schau, er ist bestimmt kein schlechter Typ. Ich bin sicher, daß er dich beschützen würde, nachdem er vielleicht zwanzig Minuten darüber nachgedacht und die Vor- und Nachteile abgewogen hat. Aber willst du nicht jemanden, für den das instinktiv klar ist?«  [49] Auch diese Ablehnung lebt offensichtlich von einem ausgearbeiteten psychologischen Skript darüber, woraus die psychologische Essenz eines Mannes bestehen sollte. Eine letzte Antwort möchte ich in diesem Zusammenhang betrachten:
     
    HELLEN : In vielerlei Hinsicht habe ich den idealen Freund. Ich meine nicht, daß er intelligent, attraktiv und sehr witzig ist; was er alles ist, nebenbei bemerkt. Nein, ich sage das, weil er mich sehr liebt, Sie können sich gar nicht vorstellen, was für SMS er mir jeden Tag schickt, zwei oder manchmal fünf am Tag, sie sind echte Poesie, ich könnte sie veröffentlichen, ganz sicher. Was mich aber wahnsinnig an ihm macht, ist sein Verhältnis zu seiner Mutter. Jedesmal, wenn ihm irgend etwas Gutes oder Schlechtes widerfährt, erzählt er es mir und seiner Mutter, fast gleichzeitig. Manchmal schickt er uns beiden dieselbe SMS , und das finde ich wirklich nervend. Mehr als nervend. Ich habe mich fast schon von ihm getrennt deswegen.
    INTERVIEWERIN : Können Sie sagen, warum?
    HELLEN : Es ist, als ob er sich noch nicht wirklich von seiner Mutter losgelöst hat und immer noch tief in seiner Ödipusphase steckt. Ein 50jähriger Mann sollte emotional reif genug sein, um seine Mutter nicht in jeden einzelnen Schritt einzubeziehen, den er unternimmt. Ich finde das einfach nicht sehr anziehend, weil es etwas über ihn und seine emotionale Reife besagt.
    406 Seine Mutter anzurufen, wird hier unter der Kategorie »Ödipus« und dem Begriff der »emotionalen Reife« ontologisiert, was beides darauf hindeutet, daß Verhaltensweisen und Gefühle im Hinblick auf ein wohlüberlegtes und ausbuchstabiertes Modell des gesunden Selbst mit feststehenden Merkmalen bewertet werden. Alle zitierten Antworten ontologisieren das Selbst ausgehend von therapeutischen Beurteilungsweisen, denen zufolge Verhaltensweisen als mehr oder weniger gesund einzustufen sind.
    Dies wiederum führt zur Entstehung einer neuen

Weitere Kostenlose Bücher