Warum Machst Du Mich Nicht Gluecklich
dachten!
Simone und Justin unvereinbare Wünsche: Jeder tut das Beste, was er kann
Simone hat unser letztes Gespräch sehr beschäftigt: »Ich habe mich gefragt, wieso ich so schnell und heftig in Stress gerate, auch auf der Arbeit oder im Kontakt mit Freunden. Ich glaube, es liegt daran, dass ich überzeugt davon bin, ich müsse ruhig bleiben und darf bloß keine Probleme machen, damit die anderen mich mögen. Und dann wird es erst re cht eng bei mir, weil ich inner lich gegen diesen Anspruch wüte. Wenn das zwischen uns passiert, kriegt Justin es voll ab.« Sie schaut ihn an. »Wir wollen beide arbeiten und unsere Kinder gut versorgen. Ich bin bereit, nach guten Lösungen zu suchen. Aber ich glaube, ich werde immer erst einmal in Panik geraten, wenn du kommst und einen neuen Termin hast, den ich abdecken muss. Es würde helfen, wenn du das einfach aushältst, bis ich soweit bin, über pragmatische Lösungen nachzudenken.« »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe«, sagt Justin ehrlich. »Ich kann es versuchen. Denn mir ist klar geworden, dass ich meinen Beruf nicht aufgeben will. Und das bedeutet, dass ich mehrmals im Jahr am Wochenende und sogar ganze Wochen weg sein werde.« Simone sieht schockiert aus. »Und die Kinder?« Ihre Frage enthält einen anklagenden Unterton, doch Justin antwortet ernst und ruhig. »Ich liebe die beiden und will wirklich, dass es ihnen gut geht. Deshalb habe ich den letzten vierzehn Tagen sehr viel darüber nachgedacht. Wenn ich weiß, dass ich meine Auswärtstermine wahrnehmen kann, werde ich ziemlich sicher in der Wo che deutlich entspannter und zu friedener sein als jetzt. Das heißt, ic h bin nachmittags nicht nur kör perlich anwesend, sondern wirklich offen und ansprechbar für sie. Wir haben sowieso ein gutes Verhältnis, und ich bin sicher, dass die Kinder dann mit meiner zeitweiligen Abwesenheit gut klarkommen. Für mich ist jetzt eher die Frage, was für dich die Zeiten meiner Aus wärtsprojekte entspannter machen könnte. Simone kaut auf ihrer Unterlippe. »Wenn du mir endlich mal recht zeitig Bescheid sagen würdest und ich mich darauf einstellen kann, mache ich das dann schon«, sagt sie. »Aber du musst aushalten, wenn ich dann sage und zeige, wie anstrengend ich es finde.«
Simone hat etwas Wichtiges über sich selbst herausgefunden: Je mehr sie sich unter Druck setzt, ruhig zu bleiben, desto weniger gelingt es ihr! Also hat sie beschlo ssen, ihre Panik nicht überzube werten, sondern als notwendiges Durchgangsstadium auf der Suche nach Lösungen zu akzeptieren. Dadurch eröffnet sie sich selbst einen Handlungsspielraum. Doch auch Justin hat seine Spielräume ausgelotet und muss Simone mitteilen, dass er ihren Wunsch nicht erfüllen kann, nur am Wohnort und zu Zeiten zu arbeiten, in denen die Kinder betreut sind. Gleichzeitig entlässt er sich selbst aus der Rolle desjenigen, der für seine Versäumnisse getadelt wird, und setzt nun bei seinem eigenen Bedürfnis an, dass seine Kinder, die er sehr liebt, unter der Berufs situation ihrer Eltern nicht leiden. Unabhängig von Simone entwickelt er für sich eine Idee, mit der er einen großen Teil seines Bedürfnisses erfüllen kann (den Kindern geht es in der Woche gut, sodass sie mit seiner zeitweiligen Abwesenheit zurechtkommen). Beim nächsten Gesprächstermin haben sie weitere Wochenenden hinter sich, an denen Justin seine Kunstprojekte in anderen Städten durchgeführt hat. Beruflich war es für ihn ein Erfolg. Und wie ist es dem Paar ergangen?
»An zwei Wochenenden war Simone völlig genervt, als ich nach Hause kam«, erzählt Justin besorgt. »Klara war krank geworden und Henri hatte ein Auswärtsfußballspiel, zu dem sie die Kinder fahren musste. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, sie damit allein zu lassen, das war furchtbar. Das ist gar nicht so leicht, darauf zu ver trauen, dass weder sie noch unsere Beziehung daran kaputtgeht!« Simone ist verletzt. »Ich finde es total blöd, dass du nur von die sem Wochenende erzählst«, sagt sie. »Das letzte ist nämlich super gelaufen. Ich war mit einer anderen Mutter und allen Kindern auf dem Kinderbauernhof. Die Kleinen haben lange draußen gespielt und ich konnte mich ganz in Ruhe unterhalten, das war richtig schön. Am nächsten Tag kam deine Schwester und nahm die Kinder mit in den Zoo, so dass ich einen Mittagsschlaf machen konnte. Und ich finde, dass ich dich wirklich liebevoll begrüßt habe und mit dir entspannt über dein Projekt sprechen konnte.«
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