Warum macht Sex Spaß?
natürlichen Feinden schützen kann.
Die zweite Sorte der Ausnahmen von dem vorherrschenden Prinzip, daß Männchen sich nach der Kopulation absetzen, ist ein Phänomen mit einem langen Namen: Polyandrie mit umgekehrten Geschlechterrollen. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um die Umkehrung der verbreiteten polygynen Paarungssysteme, bei denen die großen Männchen heftig miteinander konkurrieren, um sich einen Harem von mehreren Weibchen zu sichern. Hier konkurrieren statt dessen große Weibchen um einen Harem kleinerer Männchen; das Weibchen legt dann für jedes Männchen einen Klumpen Eier ab, und die Arbeit des Ausbrütens und der Brutpflege übernimmt zum größten Teil oder vollständig das Männchen. Die bekanntesten derartigen weiblichen Sultane sind Seevögel: Blatthühnchen, Wasserläufer und Wassertreter. Manchmal verfolgt zum Beispiel ein Schwarm von bis zu zehn Wassertreterweibchen ein Männchen mehrere Kilometer weit. Anschließend steht das siegreiche Weibchen über seinem Fang und sorgt dafür, daß es als einziges sich mit ihm paaren kann und daß er zu einem der Männchen wird, die seine Jungen großziehen.
Die Polyandrie mit umgekehrten Geschlechterrollen ist für das erfolgreiche Weibchen eindeutig die Erfüllung eines entwicklungsgeschichtlichen Traumes. Es gewinnt den Kampf der Geschlechter, weil es seine Gene an viel mehr Junge weitergibt, als es selbst – allein oder mit Hilfe eines Männchens – großziehen könnte. Das Weibchen kann sein Potential zum Eierlegen fast vollständig ausnutzen; dieses wird nur eingeschränkt durch die Fähigkeit, andere Weibchen im Kampf um brutpflegebereite Männchen zu vertreiben. Aber wie hat sich diese Strategie entwickelt? Warum sind die Männchen mancher Seevogelarten im Kampf der Geschlechter offenbar unterlegen, warum sind sie »Mit-Ehemänner«, wo doch die Männchen fast aller anderen Vogelarten diesem Schicksal entgangen sind oder sich sogar umgekehrt mehrere Weibchen halten?
Die Erklärung liegt in der ungewöhnlichen Fortpflanzungsbiologie der Seevögel. Sie legen jeweils nur vier Eier auf einmal, und die Jungen sind frühreif, das heißt, sie sind beim Schlüpfen bereits mit Flaum bedeckt, die Augen sind geöffnet, und sie können allein herumlaufen und Futter suchen. Die Eltern brauchen ihre Jungen nicht zu füttern, sondern nur zu schützen und warm zu halten. Das schafft ein Elternteil allein; bei den meisten anderen Vogelarten sind dagegen beide zum Füttern erforderlich.
Aber ein Küken, das sofort nach dem Schlüpfen herumlaufen kann, hat im Ei eine stärkere Entwicklung durchgemacht als die normalen, hilflosen Jungvögel. Dazu sind außergewöhnlich große Eier notwendig. Man braucht sich nur einmal die typischen kleinen Taubeneier anzusehen, aus denen die üblichen hilflosen Jungen schlüpfen, dann versteht man, warum Geflügelbauern lieber Hühner mit großen Eiern und frühreifen Küken züchten.
Bei den Gefleckten Wasserläufern hat jedes Ei gut ein Fünftel des Gewichts der Mutter; das ganze Gelege von vier Eiern wiegt erstaunlicherweise 80 Prozent von dem, was sie auf die Waage bringt. Zwar sind sogar monogame Seevogelweibchen in der Evolution ein wenig größer geworden als ihre Partner, aber trotz allem kostet es gewaltige Mühe, derart große Eier zu produzieren. Aufgrund dieses Aufwandes der Mutter ist das Männchen sowohl kurz- als auch langfristig im Vorteil, wenn es die nicht allzu beschwerliche Aufgabe übernimmt, die frühreifen Jungen allein großzuziehen, und so der Partnerin die Möglichkeit gibt, wieder zu Kräften zu kommen.
Kurzfristig hat das Männchen davon den Vorteil, daß seine Partnerin bald wieder in der Lage ist, ein weiteres Gelege für ihn zu produzieren – für den Fall, daß die ersten Eier von einem natürlichen Feind zerstört werden. Das ist äußerst nützlich, denn Seevögel nisten auf dem Erdboden und erleiden gewaltige Verluste an Eiern und Jungen. Im Jahr 1975 zerstörte zum Beispiel ein einziger Nerz alle Nester einer Wasserläuferpopulation, die der Ornithologe Lewis Oring in Minnesota beobachtete. Und bei einer Untersuchung von Blatthühnchen in Panama stellte sich heraus, daß 44 von 52 Nestern ihren Zweck nicht erfüllten.
Auch langfristig profitiert das Männchen davon, wenn es die Partnerin schont. Ist sie nach einer Brutsaison nicht allzu erschöpft, überlebt sie mit höherer Wahrscheinlichkeit bis zur nächsten, so daß das Männchen sich erneut
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