Warum macht Sex Spaß?
Vater oder Mutter zur Halbwaise wurde, stark verminderte Überlebenschancen. Da sowohl der Vater als auch die Mutter bestrebt sind, ihre Gene weiterzugeben, ist es für sie eine Frage des Eigeninteresses, das Kind zu versorgen. Deshalb verschafften die meisten Männer ihren Frauen und Kindern Nahrung, Schutz und Obdach. Das Ergebnis ist unser menschliches Gesellschaftssystem mit formal monogamen Ehepaaren oder gelegentlich auch mit Harems, deren Frauen zu einem wohlhabenden Mann gehören. Praktisch die gleichen Verhältnisse herrschen auch bei Gorillas, Gibbons und den anderen Arten aus der Minderheit der Säugetiere, deren Männchen Brutpflege betreiben.
Aber diese altvertraute Einrichtung der gemeinsamen Elternschaft beendet den Kampf der Geschlechter keineswegs. Sie löst nicht zwangsläufig die Spannungen zwischen den unterschiedlichen Interessen von Vater und Mutter, die aus den ungleichen Investitionen vor der Geburt erwachsen. Selbst bei Säugetier- und Vogelarten, deren Männchen sich an der Brutpflege beteiligen, versuchen diese, ihren Anteil daran so gering wie möglich zu halten und dennoch dafür zu sorgen, daß die Jungen – vor allem durch die Bemühungen der Mutter – überleben. Außerdem sind die Männchen bestrebt, die Partnerinnen anderer Männchen zu schwängern, so daß das unglückliche, gehörnte Männchen unwissentlich die Nachkommen des Konkurrenten versorgt. Deshalb ist es verständlich, daß die Männchen das Verhalten ihrer Partnerin argwöhnisch beobachten.
Ein eingehend untersuchtes und recht typisches Beispiel für die Probleme der gemeinsamen Elternschaft ist der Trauerschnäpper, eine in Europa beheimatete Vogelart. Die meisten Trauerschnäppermännchen sind offiziell monogam, aber viele von ihnen versuchen, sich mehrere Weibchen zuzulegen, und oftmals gelingt das auch. Wieder ist es ganz instruktiv, wenn wir einige Abschnitte dieses Buches, das eigentlich von menschlicher Sexualität handelt, einem weiteren Beispiel aus der Vogelwelt widmen, denn wie wir noch sehen werden, ähnelt das Verhalten mancher Vögel verblüffend dem der Menschen, ohne jedoch bei uns die gleiche moralische Entrüstung auszulösen.
Die Polygynie der Trauerschnäpper funktioniert folgendermaßen: Ein Männchen findet im Frühjahr einen guten Nistplatz, steckt im Umkreis sein Revier ab, macht einem Weibchen den Hof und paart sich mit ihm. Wenn dieses Weibchen (das man als primäres Weibchen bezeichnet) das erste Ei legt, ist sich das Männchen sicher, daß es seine Partnerin befruchtet hat, daß sie mit dem Brüten beschäftigt sein wird und daß sie sich erstens nicht für andere Männchen interessiert und zweitens ohnehin erst einmal unfruchtbar ist. Deshalb sucht sich das Männchen in der Nähe einen weiteren Nistplatz, umwirbt ein zweites Weibchen (das man sekundäres Weibchen nennt) und kopuliert mit ihm.
Sobald die zweite Partnerin mit dem Eierlegen beginnt, ist sich das Männchen wiederum sicher, daß es sie befruchtet hat. Etwa zur gleichen Zeit schlüpfen aus den Eiern des primären Weibchens die ersten Jungen. Das Männchen kehrt zu dem ersten Nest zurück und widmet seine Energie zum größten Teil dem Füttern dieser Jungen; auf den Nachwuchs des sekundären Weibchens verwendet es sehr viel weniger Mühe. Die grausame Geschichte läßt sich in Zahlen fassen: Im Durchschnitt trägt das Männchen vierzehnmal pro Stunde Futter zum Nest des primären Weibchens, aber nur siebenmal pro Stunde versorgt es den Nachwuchs des sekundären Weibchens. Sind genügend Nistplätze vorhanden, versuchen die meisten Männchen, sich ein sekundäres Weibchen zuzulegen, und bis zu 39 Prozent von ihnen schaffen es auch.
Natürlich gibt es in einem solchen System Gewinner und Verlierer. Da männliche und weibliche Trauerschnäpper ungefähr in gleicher Zahl vorhanden sind und da jedes Weibchen nur einen Partner hat, kommt auf jedes Männchen, das Bigamie betreibt, ein glückloses ohne Weibchen. Die großen Gewinner sind die polygynen Männchen: Sie zeugen, wenn man den Beitrag beider Partnerinnen zusammenzählt, im Durchschnitt 8,1 Trauerschnäpperküken im Jahr, ihre monogamen Geschlechtsgenossen dagegen bringen es nur auf 5,5 Nachkommen. Die polygynen Männchen sind meist älter und größer als Männchen ohne Partnerin, und es gelingt ihnen auch, sich in den besten Lebensräumen die besten Reviere und Nistplätze zu sichern. Deshalb sind ihre Jungen am Ende um zehn Prozent schwerer als die
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