Warum macht Sex Spaß?
selbst eigentlich keine Lust hat und weiß, daß sie unfruchtbar ist. Besonders nachdrücklich trifft diese Aussage auf die Papa-zu-Hause-Theorie zu. Wenn eine Frau in einer langfristigen, monogamen Beziehung lebt, in der beide Partner einander genau kennen, kann sie ihren Mann nur schwer täuschen, es sei denn, sie täuscht sich auch selbst.
Für Tierarten (und vielleicht auch für traditionelle menschliche Gesellschaften), bei denen Kindesmord ein großes Problem ist, erscheint die Viele-Väter-Hypothese zweifellos plausibel. Mit der modernen menschlichen Gesellschaft, wie wir sie kennen, dürfte sie aber kaum vereinbar sein. Ja, außerehelicher Sex kommt vor, aber Zweifel an der eigenen Vaterschaft sind die Ausnahme und keine Regel, die eine Triebkraft der Gesellschaft darstellt. Genetische Untersuchungen zeigen, daß mindestens 70, vielleicht aber auch 95 Prozent aller amerikanischen und britischen Babys tatsächlich legitim gezeugt wurden, das heißt vom Ehemann der Mutter. Es dürfte kaum stimmen, daß um jedes Kind viele Männer herumstehen und wohlwollendes Interesse zeigen oder es sogar mit Geschenken überhäufen und ihm Schutz gewähren, weil sie denken: »Vielleicht bin ich ja in Wirklichkeit der Vater!«
Deshalb erscheint die Vorstellung, der Schutz der Nachkommen vor Kindesmord sei das Motiv der ständigen sexuellen Bereitschaft der Frauen, eher abwegig. Aber wie wir noch sehen werden, hatten Frauen möglicherweise in ferner Vergangenheit solche Beweggründe, und erst später dürfte der Sex eine andere Funktion übernommen haben, die ihn auch heute noch trägt.
Wie sollen wir also die beiden konkurrierenden Theorien bewerten? Wie so viele Fragen zur Evolution des Menschen läßt sich auch diese nicht auf dem Weg klären, der Chemikern und Molekularbiologen am liebsten ist: durch ein Reagenzglasexperiment. Eine endgültige Überprüfung wäre nur möglich, wenn wir die Frauen in irgendeiner Bevölkerungsgruppe veranlassen könnten, während der fruchtbaren Tage hellrot und zu anderen Zeiten frigide zu werden, und die Männer müßten wir dazu bringen, daß sie sich nur von hellroten Frauen erregen lassen. Dann könnte man beobachten, ob die Folge häufigeres Fremdgehen und weniger väterliche Fürsorge ist (wie es die Papa-zu-Hause-Theorie voraussagt) oder ob dies zu weniger ehelicher Untreue und mehr Kindesmorden führt (wie es der Viele-Väter-Theorie entspräche). Pech für die Wissenschaft: Eine solche Überprüfung ist zur Zeit nicht möglich und wird auch dann unmoralisch bleiben, wenn man sie mit Hilfe der Gentechnik irgendwann vornehmen könnte. Aber wir können auf eine andere leistungsfähige Methode zurückgreifen, die von Evolutionsbiologen zur Beantwortung derartiger Fragen gern benutzt wird. Man bezeichnet sie als vergleichende Untersuchungen. Wir Menschen sind nicht die einzigen Lebewesen, die ihren Eisprung verbergen. Bei Säugetieren im allgemeinen ist das zwar die Ausnahme, aber bei höheren Primaten – der Tiergruppe, zu der neben Klein- und Menschenaffen auch wir gehören – kommt es recht häufig vor. Bei Dutzenden von Primatenarten ist der Eisprung äußerlich nicht zu erkennen; bei vielen anderen gibt es zwar Anzeichen, aber nur geringfügige, und wieder andere stellen ihn überdeutlich zur Schau. Die Fortpflanzungsbiologie jeder Art ist das Ergebnis eines von der Natur ausgeführten Experiments mit den Vor- und Nachteilen eines versteckten Eisprungs. Durch den Vergleich verschiedener Primatenarten können wir in Erfahrung bringen, welche Merkmale den Arten mit verstecktem Eisprung gemeinsam sind, während sie bei solchen mit erkennbarem Eisprung fehlen.
Ein solcher Vergleich läßt unsere sexuellen Gewohnheiten in neuem Licht erscheinen. Er war das Thema einer wichtigen wissenschaftlichen Untersuchung der schwedischen Biologen Birgitta Sillén-Tullberg und Anders Møller. Sie gingen bei ihrer Analyse in vier Schritten vor.
Schritt 1. Sillén-Tullberg und Møller stellten für möglichst viele Primatenarten (insgesamt 68) eine Tabelle mit sichtbaren Anzeichen des Eisprungs auf. Aha, kann man sofort einwenden, sichtbar für wen? Ein Affe könnte Signale geben, die ein Mensch nicht erkennt, während sie für einen anderen Affen offensichtlich sind, wie zum Beispiel Düfte (Pheromone). Rinderzüchter, die eine preisgekrönte Milchkuh künstlich befruchten wollen, können nur unter Schwierigkeiten den Zeitpunkt des Eisprungs feststellen, aber Stiere bemerken
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