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Warum macht Sex Spaß?

Warum macht Sex Spaß?

Titel: Warum macht Sex Spaß? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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leben zwar promiskuitiv, aber Promiskuität ist keine Gewähr für einen deutlich erkennbaren Eisprung. In Wirklichkeit haben sogar die meisten promiskuitiven Primaten, nämlich 20 von 34 Arten, entweder einen versteckten Eisprung, oder die Anzeichen sind nur schwach ausgeprägt. Auch wenn Primaten sich einen Harem halten, kann der Eisprung je nach Spezies versteckt, geringfügig sichtbar oder deutlich zur Schau gestellt sein. Diese verwickelten Verhältnisse weisen darauf hin, daß der versteckte Eisprung wahrscheinlich unterschiedliche Funktionen erfüllt, die mit dem jeweiligen Paarungssystem zu tun haben.
     
    Schritt 4. Nun hatten Sillén-Tullberg und Møller eine gute Idee, wie man solche Funktionsverschiebungen nachweisen könnte: Sie befaßten sich mit dem Stammbaum der heutigen Primaten. Damit wollten sie in der Evolutionsgeschichte dieser Tiergruppe diejenigen Punkte dingfest machen, an denen sich die Signale für den Eisprung und die Paarungssystemen verändert haben. Ausgangspunkt war die Beobachtung, daß manche sehr eng verwandte heutige Arten, die vermutlich von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, sich in ihren Paarungssystemen und den Signalen für den Eisprung stark unterscheiden. Dies läßt darauf schließen, daß sich die Signale oder Paarungssysteme erst in relativ junger evolutionärer Vergangenheit geändert haben.
     
    Ich möchte den Gedankengang an einem Beispiel verdeutlichen. Wie wir heute wissen, sind Menschen, Schimpansen und Gorillas genetisch zu etwa 98 Prozent identisch; sie stammen von einem gemeinsamen Vorfahren (dem „Missing link«) ab, der vor nur etwa neun Millionen Jahren lebte. Und doch zeigen die drei Nachkommen des Missing link alle drei Arten von Signalen für den Eisprung: versteckt bei den Menschen, schwach angezeigt bei den Gorillas und deutlich zur Schau gestellt bei den Schimpansen. Aber nur einer der drei Nachkommen kann in dieser Hinsicht dem Missing link gleichen, bei den beiden anderen müssen sich die Signale im Laufe der Evolution verändert haben.
     
    Die meisten heutigen Arten primitiver Primaten zeigen geringfügige Anzeichen für den Eisprung. Dieser Zustand dürfte sich auch beim Missing-link erhalten haben, und von ihm wiederum haben ihn die Gorillas geerbt (siehe Abbildung 1). Bei den Menschen muß sich dagegen während der letzten neun Millionen Jahre der versteckte Eisprung entwickelt haben, und bei den Schimpansen ging die Entwicklung in Richtung deutlicherer Signale. Unsere Signale und die der Schimpansen haben sich also von den mäßig ausgeprägten Zeichen unserer Vorfahren in entgegengesetzter Richtung weiterentwickelt. Für uns Menschen sieht der geschwollene Hintern eines fruchtbaren Schimpansenweibchens wie der eines Pavians aus. Die Vorfahren von Schimpansen und Pavianen müssen ihre ins Auge stechende Färbung aber völlig unabhängig voneinander erworben haben, denn die Abstammungslinien von Pavianen und Missing link trennten sich schon vor etwa 30 Millionen Jahren.
     
    Mit ähnlichen Überlegungen kann man auch auf andere Punkte im Stammbaum der Primaten schließen, an denen sich die Signale für den Eisprung geändert haben müssen. Wie sich dabei herausstellte, hat es solche Veränderungen in der Evolution mindestens zwanzigmal gegeben. Die auffällige Ankündigung ist mindestens dreimal unabhängig entstanden (unter anderem bei den Schimpansen), mindestens acht unabhängige Ursprünge sind für den versteckten Eisprung nachzuweisen (bei uns, bei den Orang-Utans und bei sechs verschiedenen Gruppen von Kleinaffen); und die geringfügigen Anzeichen für den Eisprung sind sechsmal wieder entstanden – entweder aus dem versteckten Eisprung (wie bei manchen Brüllaffen) oder aus der auffälligen Signalisierung (unter anderem bei vielen Makaken).
     
    Nach dem gleichen Prinzip wie bei den Signalen für den Eisprung kann man im Stammbaum der Primaten auch Punkte identifizieren, an denen sich die Paarungssysteme geändert haben müssen. Bei dem gemeinsamen Vorfahren aller Klein- und Menschenaffen herrschte wahrscheinlich ursprünglich Promiskuität. Betrachten wir aber heute uns selbst sowie unsere engsten Verwandten, die Schimpansen und Gorillas, so finden wir alle drei Paarungssysteme: den Harem bei den Gorillas, die Promiskuität bei den Schimpansen und Monogamie oder Harems bei den Menschen (siehe Abbildung 2). Von den drei Nachkommen, die sich in den letzten neun Millionen Jahren aus dem Missing link entwickelt haben, müssen also

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