Warum Maenner mauern
Einmal sind Sie sich seiner sicher, im nächsten Augenblick ist er zurückhaltend und kalt. Während Sie eifrig versuchen, eine Aufgabe zu erledigen oder die Beziehung am Leben zu erhalten, landen Sie schließlich in einer Sackgasse, in der Sie nur Ihre Zeit vergeuden.
Vor allem aber ist der passiv-aggressive Mann durchdrungen von Konflikten, Widersprüchen und verschiedenen Schichten von »Wahrheiten«, nach denen er sich richtet. Wenn man genau hinsieht, erkennt man einen verärgerten Mann, der vor seinem Ärger Angst hat: Er brodelt vor Groll und brütet über seiner Furcht, und das alles versteckt er hinter einer Fassade aus Gleichmut. Seine Nettigkeit ist reine Tarnung. Er ist ein Pionier des Selbstschutzes, der sich mühsam durch den reißenden Strom seiner feindseligen Gefühle kämpft.
Sehen wir uns einmal an, was den ganzen Wirbel verursacht.
Bei anderen psychologischen Krankheitsbildern, beispielsweise der Depression, gibt es genauer erkennbare Gesetzmäßigkeiten, Ursachen und Wirkungen; das passiv-aggressive Verhalten lässt sich dagegen nicht genau abgrenzen. Es handelt sich zwar um den seelischen Konflikt einer einzelnen Person, aber ausgetragen wird es meist im Rahmen von Zweierbeziehungen. Der passiv-aggressive Mann braucht ein Gegenüber – nämlich Sie – als Objekt seiner Feindseligkeit. Und er braucht auch jemanden, dessen Wünschen und Erwartungen er sich widersetzen kann. Die passive Aggression findet ihren Ausdruck häufig in Beziehungen und erscheint deshalb als »Beziehungsproblem«. Meist ist sie aber in Wirklichkeit das Problem einer Person: seines .
Ein großartiges Beispiel ist die Geschichte von Wendy. Als sie in meine Praxis kam, war das wichtigste Thema ihre Beziehung zu Vic, einem geschiedenen Börsenmakler. Sie beschwerte sich ganz allgemein über seine Gleichgültigkeit. Wendy berichtete über seine zahlreichen »kleinen« Versäumnisse, und da konnte ich erkennen, warum diese Beziehung dabei war zu zerbrechen. Sie beschrieb die Vorkommnisse so:
Vic »vergaß« manchmal, dass wir verabredet waren, und bei anderen Gelegenheiten tauchte er bei mir auf, ohne vorher anzurufen. Er wollte, dass ich mich freute, wenn er kam – und das tat ich auch –, aber ich wusste auch, was Vic glücklich machte: dass er mich unvorbereitet erwischt hatte. Anschließend war er so lieb zu mir, dass ich das Gefühl hatte, ich sei unfair gewesen. Am nächsten Tag benahm er sich, als hätten wir uns gerade erst kennen gelernt! Er war distanziert und schien verärgert. Wenn ich ihn fragte, was nicht in Ordnung sei, schrie er mich an, ich bekam keine klare Antwort. Und wenn ich ihm sagte, er verletze meine Gefühle, erwiderte er: »Ich kann nichts dafür, wenn du so schnell beleidigt bist.«
Der Kerl raubt mir den Schlaf, aber ich kann anscheinend weder näher an ihn herankommen noch die Sache abbrechen.
Für den Gesamtzusammenhang sind Wendys Erlebnisse wichtig, weil jede Frau, die mit einem Mann wie Vic zu tun hat, diese »kleinen« Episoden wiedererkennt. Wahrscheinlich verstehen Sie, warum Wendy verärgert ist, warum sie berechtigten Ärger verspürt, warum sie sich möglicherweise Vorwürfe macht und warum sie Hilfe gesucht hat. Vic dagegen schenkt ihren Gefühlen, ihren Ansprüchen und ihrer Zeit wenig Aufmerksamkeit. Aber da Wendy sich um ihn kümmert, stellt sie sich dennoch auf seine Bedürfnisse ein. Sie zweifelt an sich selbst und glaubt an ihn.
Betrachten wir das, was zwischen den beiden abläuft, einmal ein wenig genauer. Wendy liebt Vic, und sie will, dass er sie ebenfalls liebt, aber sie muss feststellen, dass sie mehr damit beschäftigt ist, seine seelischen Vorgänge aufzudecken, als wirkliche Nähe zu entwickeln. Seine Denk- und Verhaltensweisen sind für Wendy so fremd, dass sie davon gleichzeitig fasziniert und frustriert ist. Ständig fragt sie sich: Was führt er wohl jetzt im Schilde? Vic ist nicht vollkommen, aber es gibt genug an ihm, was ihr Interesse wachhält und sie gefühlsmäßig an ihn bindet. Wenn da nur nicht so viele Spielchen ablaufen würden, denkt sie.
Am meisten stört Wendy, dass Vic sich hinter einem Schleier der Arglosigkeit und der guten Absichten versteckt; er weicht der Verantwortung aus und besteht gleichzeitig voller Streitlust darauf, dass er seinen Anteil leistet. Ihre berechtigten Beschwerden verdreht er so, dass er am Ende als der ungerecht Behandelte dasteht. Und sie weiß nicht, was sie eigentlich getan hat, dass er so beleidigt ist. In den
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