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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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Industriellen nicht zum Verhängnis wurden oder Neueinsteiger völlig fernhielten, wie es die oben beschriebene serrata in Venedig getan hatte. Diese Erfahrung sollten die mächtigen Erzeuger von Wolltextilien bald machen.
    Im Jahr 1688 kamen einige der bedeutendsten englischen Importe aus Indien, nämlich Kattune und Musseline; sie machten ungefähr ein Viertel aller Stoffimporte aus. Auch Seidenstoffe aus China nahmen einen hohen Rang ein. Kattun und Seide wurden von der East India Company importiert, die vor 1688 ein Regierungsmonopol für den Asienhandel besessen hatte. Die Macht der Company war durch hohe, an Jakob II. gezahlte Bestechungsgelder aufrechterhalten worden. Doch nach 1688 befand sie sich in einer anfälligen Position und geriet bald unter Druck. Dieser nahm die Form eines intensiven Petitionskrieges mit Händlern an, die hofften, im Fernen Osten und in Indien Geschäfte machen zu können. Sie verlangten, dass das Parlament Konkurrenzunternehmen für die East India Company zuließ. Diese reagierte mit Gegenpetitionen und Angeboten, dem Parlament Geld zu leihen. Sie verlor, und ein Konkurrenzunternehmen gleichen Namens wurde gegründet. Aber die Textilhersteller wünschten sich nicht nur mehr Wettbewerb im Indienhandel, sondern sie forderten auch, billige indische Stoffe (Kattune) zu besteuern oder sogar ihre Einfuhr zu verbieten, damit keine billige Konkurrenz im Lande aufkam. Zu jenem Zeitpunkt fertigten die wichtigsten inländischen Hersteller Wolltextilien, doch auch die Erzeuger von Baumwollstoffen gewannen an wirtschaftlicher und politischer Macht.
    Die Wollbranche versuchte schon in den 1660er Jahren, Schutzmaßnahmen für sich durchzusetzen. Sie trat für »Luxusgesetze« ein, die unter anderem das Tragen von leichteren Stoffen verboten. Daneben wurde sie 1666 und 1678 im Parlament vorstellig, um Beisetzungen in nichtwollenen Grabtüchern für illegal erklären zu lassen. Beide Maßnahmen schützten den Wollmarkt und schwächten die Konkurrenz aus Asien. Gleichwohl war die East India Company damals zu mächtig, als dass Importe asiatischer Textilien wesentlich hätten eingeschränkt werden können.
    Das Blatt wendete sich nach 1688. Zwischen 1696 und 1698 verbündeten sich Wollhersteller aus East Anglia und dem West Country mit Seidenwebern aus London und Canterbury sowie mit der Levant Company, um die Einfuhren zu drosseln. Die Seidenimporteure, die ihre Produkte aus der Levante bezogen, hatten gerade ihr Monopol eingebüßt und wollten nun asiatische Seidenstoffe ausschließen, um eine Nische für Lieferungen aus dem Osmanischen Reich zu schaffen. Dieses Bündnis unterbreitete dem Parlament Vorschläge, das Tragen von asiatischer Baumwolle und Seide in England ebenso wie das Färben und Bedrucken von asiatischen Textilien einzuschränken. Daraufhin verabschiedete das Parlament im Jahr 1701 schließlich ein »Gesetz zur wirksameren Beschäftigung der Armen durch Förderung der Manufakturen dieses Königreichs«. Ab September desselben Jahres galt: »Sämtliche gewirkten Seiden, bengalischen und anderen Stoffe, die mit Seide oder Kräutern vermischt sind, aus den Manufakturen Persiens, Chinas oder Ostindiens, sämtliche dort bemalten, gefärbten oder bedruckten Kattune, die in dieses Königreich heutzutage oder in Zukunft importiert werden, darf niemand tragen.«
    Damit war es in England illegal, sich in Seide und Kattun aus Asien zu kleiden. Immerhin war es noch möglich, sie zu importieren und dann nach Europa oder anderswo, besonders in die amerikanischen Kolonien, weiterzuexportieren. Daneben durfte man unbehandelte Kattune zur Verarbeitung nach England importieren, und auch Musseline waren von dem Verbot ausgenommen. Nach einem langen Kampf wurden diese Schlupflöcher (wofür zumindest die einheimischen Textilhersteller sie hielten) durch den Calico Act (Kattungesetz) von 1721 geschlossen: »Nach dem 25. Dezember 1722 wird es für jegliche Person ungesetzlich sein, in Großbritannien für beliebige Kleidungsstücke bedruckten, bemalten oder gefärbten Kattun zu benutzen oder solche Gewänder zu tragen.«
    Obwohl die asiatische Konkurrenz für englische Wollstoffe damit beseitigt war, blieb noch eine aktive inländische Baumwoll- und Leinenbranche übrig, die mit den Wollerzeugern im Wettbewerb stand: Baumwolle und Leinen wurden zu einem populären Stoff namens Barchent vermischt. Nachdem die Wollhersteller die asiatische Konkurrenz ausgeschaltet hatten, wandten sie sich nun dem Leinen

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