Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
deren Entstehung teilweise auch auf die unwägbaren Zufälle der historischen Entwicklung zurückgeht. Eine recht ähnliche Koalition erwies sich siegreich im Englischen Bürgerkrieg gegen die Stuarts, doch dieser mündete lediglich in Oliver Cromwells Diktatur. Die Stärke der Koalition war auch keine Garantie dafür, dass der Absolutismus überwunden wurde. Jakob II. hätte Wilhelm von Oranien eine Niederlage zufügen können. Der Pfad radikalen institutionellen Wandels war wie immer nicht weniger zufallsbedingt als das Ergebnis anderer politischer Konflikte. Das galt sogar, obwohl die Stuarts angesichts der institutionellen Drift, welche die umfassende Opposition gegen den Absolutismus geschaffen hatte, und der Umbruchphase des Atlantikhandels im Nachteil waren. Der Zufall und die breite Koalition der Opposition waren also hier die ausschlaggebenden Faktoren für die Entstehung des Pluralismus sowie inklusiver Institutionen.
8.
Nicht in unserem Revier: Entwicklungsschranken
Drucken verboten
Im Jahr 1455 enthüllte Johannes Gutenberg in Mainz eine Erfindung, die tiefgreifende Konsequenzen für die Wirtschaftsgeschichte haben sollte: eine Druckerpresse mit beweglichen Lettern. Bis dahin hatte man Bücher entweder handschriftlich kopiert – ein sehr langsamer und mühseliger Prozess – oder im Blockdruck mit separaten Holztafeln für jede Seite herstellen müssen. Deshalb waren Bücher sehr dünn gesät und überaus teuer. Nach Gutenbergs Erfindung änderte sich die Situation. Da man mehr Bücher druckte, wurden sie leichter verfügbar und erschwinglicher. Ohne diese Neuerung wären die Alphabetisierung und Ausbildung der Masse der Bevölkerung unmöglich gewesen.
In Westeuropa wurde die Bedeutung der Druckerpresse rasch erkannt. Im Jahr 1460 gab es bereits eine weitere jenseits der Grenze in Straßburg. In den späten 1460er Jahren griff die Technik auf Italien über, und man fand Druckerpressen in Rom und Venedig sowie kurz darauf in Florenz, Mailand und Turin. 1476 richtete William Caxton eine Druckerei in London ein, und zwei Jahre später folgte man in Oxford seinem Beispiel. Im gleichen Zeitraum verbreitete sich das Druckwesen in den Niederlanden, nach Spanien und sogar nach Osteuropa. 1473 wurde eine Presse in Budapest und ein Jahr darauf eine in Krakau in Betrieb genommen.
Nicht alle hielten das Druckwesen für wünschenswert. Bereits 1485 verfügte Sultan Bayezid II., dass Muslime keine arabischen Texte drucken durften. Dieses Verbot bestätigte Sultan Selim I. im Jahr 1515. Erst 1727 wurde auf osmanischem Gebiet eine Presse zugelassen. Damals gewährte Sultan Ahmed III. dem Gelehrten und Diplomaten Ibrahim Müteferrika die Erlaubnis, eine Druckerei einzurichten. Doch sogar dieser verspätete Schritt erfolgte unter Einschränkungen. Obwohl in dem Erlass von »dem glücklichen Tag« die Rede war, »an dem diese westliche Technik wie eine Braut entschleiert und nie wieder verborgen werden soll«, beabsichtigte man, Müteferrikas Arbeit streng zu überwachen. In dem Erlass stand nämlich weiter:
Damit die gedruckten Bücher frei von Druckfehlern sind, werden die weisen, angesehenen und verdienstvollen, auf Islamisches Recht spezialisierten Religionswissenschaftler, der hervorragende Kadi von Istanbul, Mevlana Ishak, und der Kadi von Saloniki, Mevlama Sahib, und der Kadi von Galata, Mevlama Asad, mögen sich ihre Verdienste erhöhen, sowie aus den illustren Ordensgemeinschaften die Säule der rechtschaffenen Religionsgelehrten, der Scheich des Kasim Paşa Mevlevihane, Mevlana Musa, mögen sich seine Weisheit und sein Wissen vergrößern, das Korrekturlesen beaufsichtigen.
Was Müteferrika also auch drucken ließ, es musste von mehreren Religions- und Rechtsgelehrten überprüft werden. Vielleicht hätten sich die Weisheit und das Wissen der Kadis – wie die aller anderen – viel schneller vergrößert, wäre die Druckerpresse leichter verfügbar gewesen. Aber dazu sollte es auch dann nicht kommen, als Müteferrika seine Presse in Betrieb gesetzt hatte.
Letzten Endes druckte er zwischen 1729, als er seine Arbeit aufnahm, und 1743, als er sie einstellte, nur siebzehn Bücher. Seine Familie versuchte, die Tradition fortzusetzen, aber auch ihr gelang es nur, weitere sieben Bücher zu drucken, und sie gab ihre Bemühungen 1797 schließlich auf. Außerhalb des türkischen Zentrums des Osmanischen Reiches entwickelte sich der Buchdruck noch langsamer. In Ägypten zum Beispiel wurde erst 1798
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